Im Bann des Prinzen
sie zu beruhigen, doch es wirkte wohl nicht sonderlich überzeugend. Verdammt, er wünschte, es hätte die vergangene Woche nie gegeben. Dann könnte er sie an sich ziehen und alles andere vergessen.
Der Wind wehte ihr die Haare ins Gesicht. „Oh, natürlich. Wenn du es mir sagst, könnte ich ja erahnen, wie weit wir von Galveston entfernt sind. Ich könnte erraten, wo wir sind. Tut mir leid, dass es mich leicht beunruhigt, von der Welt abgeschnitten zu sein.“
„Das verstehe ich, und ich werde mein Möglichstes tun, damit alles so schnell es geht wieder ins Lot kommt.“ Auch er wollte nichts lieber, als von dieser Insel verschwinden und in das Leben zurückkehren, das er sich aufgebaut – das er gewählt – hatte. Das Einzige, was die Rückkehr hierher erträglich machte, war der Umstand, dass Shannon an seiner Seite war. Diese Erkenntnis brachte jedoch seine ganze Welt ins Wanken, es machte ihm nämlich klar, wie wichtig sie ihm bereits geworden war.
„Obwohl ich zugeben muss“, meinte sie, während sie ihren Sohn näher an sich zog, „dass das hier meine kühnsten Erwartungen übertrifft.“
Ihr Blick fiel auf die Reiher, die an der Küste entlangstolzierten, das Seegras, das sich im Wind wiegte, und ihre Augen leuchteten vor Begeisterung auf. Die in den Bäumen versteckten Kameras hatte sie anscheinend noch nicht entdeckt, genauso wenig wie den Sicherheitsposten, der am Dock stand, mit einem Gewehr um die Schulter.
Kolby stieß einen kleinen Schrei aus und beugte sich im Arm seiner Mutter vor.
„Hoppla …“ Tony erwischte ihn gerade noch an den Trägern seiner Latzhose. „Nicht so hastig, junger Mann.“
Erschrocken rang Shannon nach Atem. „Zum Glück warst du so schnell. Ich habe eine Sekunde lang nicht hingeschaut. Es gibt hier so viel zu sehen, so viele Ablenkungen.“
Kolby zappelte. „Will runter.“
Shannon fing ihren Sohn auf, als er sich zu ihr hinüberlehnte. Sie deutete über die Reling. „Wolltest du das sehen, Schätzchen?“
Ein Delfin zog neben der Fähre seine Bahnen. Die Flosse schnitt durch das Wasser, bevor er wieder untertauchte.
Kolby klatschte in die Hände und rief: „Ja, ja, ja.“
Tony verspürte einen großen Beschützerinstinkt, was Mutter und Sohn anging. Er würde nicht zulassen, dass die Vergangenheit der Medinas ihre Zukunft beeinträchtigte. Selbst wenn es bedeutete, dass er die Identität, die er so mühsam versucht hatte aufzugeben, wieder annehmen musste.
Die Fähre legte an der Insel an.
Und Prinz Antonio Medina war zurück.
Was bedeutete es für Tony, nach so langer Zeit zurückzukehren? Angesichts der Entfremdung in dieser Familie, die nur durch Anwälte kommunizierte, war es offenbar keine glückliche Heimkehr.
Shannon hätte gern die Hand nach ihm ausgestreckt, als sie jetzt in der Limousine saßen, doch Tony hatte in dem Moment, als die Fähre am Anleger festgemacht hatte, begonnen, sich emotional zu distanzieren. Natürlich war er ganz der Gentleman, als sie die Fähre verließen und zur Mercedes-Limousine gingen.
Sei vorsichtig … Brauchst du Hilfe? Doch sein Lächeln wirkte immer gequälter.
Vielleicht waren es auch ihre düsteren Gedanken, die ihre Wahrnehmung trübten. Kolby drückte sich fasziniert die Nase an der Scheibe platt und schien von all dem nichts mitzubekommen.
Kein Wunder, die Landschaft, die Tiere und schließlich die königliche Villa waren beeindruckend. Weißer Stuck, Bögen und Erker – es war nicht unbedingt ein Märchenschloss, aber durchaus imposant und fast so groß wie ein Hotel. Nur, dass in keinem Hotel, in dem sie gewesen war, Sicherheitskräfte mit geschulterten Maschinengewehren vor der Tür standen.
Was ihr ein Gefühl der Sicherheit hätte vermitteln sollen, erinnerte sie stattdessen nur daran, dass Geld und Macht nicht ohne Bürden zu haben waren. Wenn man sich überlegte, dass Tony aufgewachsen war, ohne je mit der realen Welt in Berührung gekommen zu sein … Ein Wunder, dass er normal geblieben war.
Wenn man einen millionenschweren Prinzen mit einer Vorliebe fürs Surfen als „normal“ bezeichnen konnte.
Die Limousine fuhr langsam an einem marmornen Brunnen vorbei und kam schließlich zum Stehen. Sofort tauchten weitere uniformierte Männer auf und öffneten die Türen. Ein Butler stand oben auf der Treppe. Auch wenn Tony darauf beharrt hatte, dass er nichts mehr mit seinem Erbe zu tun haben wollte, schien er sich doch in dieser Welt völlig heimisch zu fühlen. Im Grunde begriff sie es erst
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