Im Bann des Prinzen
sie ihn an. „Nolan war zwanghaft, ein Besessener. Sein Perfektionismus machte ihn beruflich sehr erfolgreich. Und ich war in dem Glauben erzogen worden, dass eine Ehe für immer geschlossen wird. Wie konnte ich also einen Mann verlassen, nur weil es ihn störte, wie ich die Sachen in den Schrank hängte?“
Tony zwang sich, ruhig sitzen zu bleiben, obwohl er bereits spürte, dass er diesen Nolan am liebsten verprügelt hätte – wäre es nicht bereits zu spät dafür.
„Weißt du, wie viele Leute mich ausgelacht haben, weil ich mich geärgert habe, dass ich nicht arbeiten gehen durfte? Er wollte angeblich, dass wir mehr Zeit füreinander haben. Irgendwie wurden alle Pläne, die ich machte, immer umgestoßen. Nach einer Weile verlor ich den Kontakt zu meinen Freunden.“
Tony verstand das klaustrophobische Gefühl, vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein, nur allzu gut. Obwohl er natürlich wusste, dass Enriques Bedürfnis, seine Kinder zu beschützen, etwas ganz anderes war, als ein besessener Mann, der seine Frau beherrschte. Wut braute sich in ihm zusammen.
Shannon hob das Kapuzen-T-Shirt vom Boden und presste es an sich. „Dann wurde ich schwanger. Eine Trennung wurde noch schwieriger.“
Tony hasste das Gefühl der Hilflosigkeit. Er reichte Shannon die Brille.
Mit einem gequälten Lächeln setzte sie sie auf und schien sich gleich ein wenig stärker zu fühlen. „Als Kolby ungefähr dreizehn Monate alt war, bekam er auf einmal hohes Fieber. Ich war allein mit ihm. Bis dahin war Nolan immer mit mir zum Kinderarzt gefahren, doch nun musste ich allein in die Notaufnahme und konnte keine vernünftige Auskunft über die Krankenversicherung geben. Nolan hatte immer darauf beharrt, ich solle mir darüber keine Gedanken machen. An dem Tag bin ich endlich aufgewacht. Es konnte doch nicht angehen, dass ich nicht in der Lage war, mich selbst um meinen Sohn zu kümmern.“
Er nahm ihre kalte Hand und rieb sie sanft.
„Wenn ich jetzt zurückschaue, erkenne ich natürlich all die Anzeichen. Nolans Computer und Handy waren mit einem Passwort gesichert. Er hielt es für einen Eingriff in seine Privatsphäre, wenn ich ihn fragte, mit wem er telefoniert hatte. Ich dachte, er würde mich betrügen und wäre nie auf die Idee gekommen, dass er …“
Tony drückte ihr aufmunternd die Hand.
„Also beschloss ich, mehr über unsere finanzielle Situation herauszufinden, denn wenn ich ihn verlassen wollte, musste ich sicherstellen, dass die Zukunft meines Sohnes gesichert war, und das Geld nicht auf irgendeinem Konto auf den Cayman Inseln verschwand.“ Sie rutschte unruhig hin und her. „Ich hatte Glück und bekam sein Computerpasswort heraus.“
„ Du warst diejenige, die den Betrug aufgedeckt hat?“ Du lieber Himmel, welch eine innere Kraft musste man besitzen, um den eigenen Ehemann anzuzeigen?
„Es war das Schwierigste, was ich je getan habe, aber ich habe der Polizei all die Beweise geliefert. Er hatte so viele Menschen hereingelegt und bestohlen … Seine Eltern zahlten die Kaution, und er kam frei, ohne dass ich davon erfuhr.“ Sie drehte den Stiel des blauen Salbeis zwischen Daumen und Zeigefinger. „Als er ins Haus kam, hatte er eine Waffe dabei.“
Geschockt schnappte Tony nach Luft.
„O nein, Shannon. Ich wusste zwar, dass er Selbstmord begangen hat, aber ich habe ja nicht geahnt, dass du dabei warst. Tut mir so leid.“
„Das ist leider noch nicht alles.“ Sie richtete sich auf. „Nolan drohte, mich, dann Kolby und schließlich sich selbst umzubringen.“
Bei ihren Worten lief Tony ein kalter Schauder über den Rücken. Das war so viel schlimmer, als er befürchtet hatte. Er schlang ihr einen Arm um die Schultern und zog Shannon an sich. Sie zitterte, doch tapfer erzählte sie weiter.
„Seine Eltern fuhren die Einfahrt hinauf …“, ein leises Schluchzen entschlüpfte ihr, „… und Nolan merkte, dass er keine Zeit mehr hatte, um seinen ursprünglichen Plan auszuführen. Dem Himmel sei Dank, zumindest schloss er sich in sein Arbeitszimmer ein, bevor er den Abzug drückte.“
„Shannon.“ Das entsetzliche Szenario, das sie ihm geschildert hatte, raubte ihm den Atem, doch um ihretwillen versuchte er, ruhig zu bleiben. „Das ist ja die Hölle, die du durchgemacht hast. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Ich habe seinen Eltern nicht erzählt, was er vorhatte. Sie hatten ihren Sohn verloren, der gerade als Krimineller enttarnt worden war. Ich wollte ihnen nicht noch mehr Kummer
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