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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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rechtfertigte, dass man ein ganzes Leben nur für diesen Augenblick gelebt hatte.
    Am Abend zuvor hatte wieder die abnehmende Sichel des roten Mondes über den Dünen gestanden. Sie hatte ihn bewundert und die Kühle der Nacht herbeigesehnt. Die Flucht in die Illusion betäubte den Hunger. Tief und traumlos hatte sie danach geschlafen.
    Nun tanzten kleine Sandwirbel vor ihnen über die Dünen. Die Sonne wurde von dünnen Wolkenfetzen verschleiert. Träge verfolgten Désirées Augen den Tanz dieser kleinen Luftteufel. Plötzlich waren sie da, drehten sich wie Derwische und rissen den losen Sand von der Oberfläche der Düne mit. Und plötzlich fielen sie in sich zusammen, verschwanden im Nichts, um an anderer Stelle wieder zum Leben zu erwachen.
    Wind kam auf und blies ihnen den Sand in die Augen. Der Himmel verdunkelte sich. Dunkle Wolkenberge schoben sich drohend ineinander, und ohne Vorwarnung begann es zu regnen. Dicke Tropfen platschten herab und beunruhigten die Meharis mehr als der Sandsturm. Désirée erwachte aus ihrer Lethargie.
    Arkani hob die Hand zum Halt, und sie saßen ab. Sie mussten die unruhigen Tiere festhalten, während der Himmel seine Schleusen öffnete. Regen und Sand fielen schwer herab. Die Oberfläche der Düne überzog sich mit Blatternarben, die die Tropfen hinterließen. Die Luft wurde gelb und trüb, die Konturen zerflossen im Regen. Der Wind jaulte unheilvoll, schlammiges Wasser rann aus dem Fell der Meharis. Désirée hob das Gesicht zum Himmel und ließ die Tropfen wie eine Köstlichkeit auf die Haut fallen. Es schmerzte beim Aufprall, aber es war nass, nass, nass!
    Sowohl Arkani als auch sein Sklave suchten Schutz unter den Kamelsätteln. Warum wussten sie dieses Geschenk des Himmels nicht zu schätzen? Am liebsten hätte Désirée sich die Kleider vom Leib gerissen und sich diesem paradiesischen Gefühl hingegeben. Regen in der Wüste! Es blitzte und donnerte, der Donner krachte wie ein Kanonenschlag und ließ die Erde erbeben. Die Männer warfen sich auf die schreienden Kamele und hinderten sie an einer panischen Flucht. Désirée sah, wie sich der Sand unter ihren Füßen veränderte. Erst zähflüssig wie Quecksilber, dann immer schneller bahnte sich ein Rinnsal seinen Weg, wurde breiter, tiefer, stärker. Und dann war das Wasser da. Ein Fluss entstand binnen weniger Minuten und zwängte sich zwischen den Dünen hindurch. Er riss Sand und kleine Steine mit sich, die Seiten des Flussbettes gaben nach und stürzten in das Bett.
    Désirée verlor den Halt unter den Füßen und stürzte. Arkani packte sie an ihrer Kleidung und zog sie heraus. Gelblicher Schlamm rann an ihren Beinen entlang. Sie kämpften verbissen und stumm gegen die Naturgewalten. Nur das Schreien der Kamele vermischte sich mit dem Heulen des Windes und dem grollenden Donner. Und dann war der Spuk so plötzlich vorbei, wie er begonnen hatte. Der Wind zerriss den Wolkenschleier, die Sonne drängte sich hindurch und verdampfte das Wasser. Das Grollen verzog sich in die Ferne
    Sichtlich benommen rappelte Désirée sich auf. »Was war das?«, fragte sie atemlos.
    »Ein Gewitter«, erwiderte Arkani. »Es ist genauso extrem wie die Wüste selbst.«
    Sie schaute zum Fluss, der sich noch immer mit schlammig gelben Fluten durch die Dünen wälzte.
    »In einigen Stunden wird er verschwunden sein«, prophezeite Arkani. »Unsere Frauen erzählen den Kindern, dass so ein Fluss die Babys bringt. Und wenn das Kind nicht folgsam ist, dann nimmt er es auch wieder mit.«
    »Deshalb die Scheu vor dem Wasser.« Désirée musste lächeln. Arkani hatte keine Angst vor dem Wasser. Der Druck in ihrem Bauch verstärkte sich. Sie sehnte sich die Nacht mit Arkani wieder herbei.
    Touhami begann bereits wieder die Meharis zu satteln und erinnerte Désirée daran, dass sie um das Überleben kämpften. Wasser war knapp, Lebensmittel waren noch knapper. Sie durften keine Zeit vergeuden.
    Irgendwann bemerkte Désirée, dass sie die Richtung änderten. Arkani wich von der eingeschlagenen Route ab. Die Sonne schien jetzt in ihrem Rücken, sie hatten sich nach Norden gewandt. Geduldig setzten die Meharis ein Bein vor das andere, mit stumpfsinnighochmütigen Gesichtern. Und doch waren es diese seltsamen Tiere, die ihnen das Überleben sichern konnten. Tagelang gingen sie so, ohne zu trinken. Abends kauten sie genügsam an dem gelben Gras, das hier und da wuchs, oder an den ledernen Tamariskenblättern. Wenn ihr Höcker schlaff wurde, dann verbrauchten

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