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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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sie ihre Fett- und Wasserreserven. Der Mensch besaß diese Überlebensstrategie nicht. Er war so schrecklich verletzlich.
    Abends gab es das Fleisch der Eidechsen. Bei Désirée erregte es Ekel. Das Bein, die handähnlichen Zehen sahen aus wie die eines Kindes. Unter Aufbietung aller Willensstärke aß sie das Fleisch. Es war hart und trocken, sehnig und schmeckte eigenartig süßlich. Eine Stunde später erbrach sie es wieder. Auf allen vieren kroch sie hinter ihr liegendes Mehari und bat darum, sterben zu dürfen. Arkani gab ihr Wasser zu trinken, anschließend starken Tee. Mit glasigen Augen rollte sie sich auf ihre Decke und erwartete die Geister der Nacht.
    Im Traum erschien ihr der Vater. Er saß gebeugt in einer Grube über den Resten alter Mauern. Interessiert betrachtete er eine Tonscherbe. Dann hob er den Kopf und lächelte Désirée zu. »Ich habe es gefunden, das Paradies. Jetzt bin ich am Ende meines Weges angelangt.«
    Nein , wollte sie schreien, aber als sie zu ihm lief, wurde die Grube tiefer und tiefer, ein Steingewölbe umhüllte sie, und sie befand sich im Inneren einer Pyramide wieder. In der Mitte des kleinen Raumes stand ein Steinsarkophag. Sein Deckel war geöffnet. Und als sie sich darüberbeugte, sah sie darin ihren Vater liegen. Er trug eine goldene Maske auf dem Gesicht, und seine Augen bestanden aus zwei Sternen.
    Mit einem Schrei erwachte sie. Arkani und Touhami waren sofort auf den Beinen. Arkani hielt sein Schwert in der Hand. Erschrocken starrte Désirée auf die Waffe und presste ihre Hand auf ihr wild klopfendes Herz.
    »Es ... es ist nichts. Ich hatte nur einen schlechten Traum.«
    Schweigend steckte Arkani das Schwert wieder in die Scheide. Dann holte er den Wasserschlauch aus Ziegenleder und hielt ihn ihr hin.
    »Trink etwas, dann geht es dir besser.«
    Der Schlauch war ganz schlaff. »Es ist kaum noch Wasser da.« Sie spürte das Entsetzen in sich aufsteigen.
    »Trink, und mach dir keine Gedanken um das Wasser«, erwiderte er.
    »Nein, bitte«, wehrte sie schwach ab, gleichzeitig griffen ihre Hände nach der guerba . Sie trank in gierigen Schlucken, und gleich darauf schämte sie sich wieder dafür. Verzweifelt ballte sie die Fäuste zusammen, und ihr Körper wurde vom Schluchzen geschüttelt.
    »Vergeude das Wasser nicht auf diese Weise«, gebot Arkani. »Versuche zu schlafen. Ich bete, dass die Dschinnen der Nacht dich nicht wieder heimsuchen.«
    Im Halbschlaf hörte sie die Amulette klirren. Herr und Sklave saßen dicht beieinander und murmelten Gebete. Und Désirée fühlte sich elend.
    Es war eine winzige Hütte aus Stein mit einem durchlöcherten Dach aus Ästen. Eine flache Steinmauer umgab einen freien Platz vor der Hütte. Die Mauer war zu flach, als dass sie Mensch, Tier oder den Sand hätte zurückhalten können, und schien keinen Sinn zu haben. Und die Hütte war zu klein, als dass jemand darin hätte wohnen können. Verwundert schaute Désirée auf, als ihre kleine Karawane darauf zusteuerte. Sie ließen ihre Meharis in einiger Entfernung niederknien. Die Männer stiegen ab und begaben sich zu dieser Hütte. Mit gemessenen Schritten betraten sie den Vorplatz, knieten sich nieder und beteten auf die islamische Art. Sie berührten den Boden mit der Stirn und murmelten halblaut die Gebete, die der Koran vorschrieb.
    Dieses Gebet machte Désirée betroffen. Bislang hatte sie den Eindruck gewonnen, dass es die Tuareg mit ihren religiösen Pflichten nicht so genau nahmen. Manchmal beteten sie während des Rittes auf ihrem Mehari, benutzten dazu die Perlen der Gebetskette oder vertrauten einfach auf ihre Amulette, die sie reichlich am Körper und oft auch am Turban trugen. Offensichtlich befürchteten sie eher die Rache der Geister als den Zorn Allahs. Doch die Inbrunst, mit der beide Männer nun ihre Gebete verrichteten, ließ wieder ein Gefühl der Angst in ihr aufsteigen. Wahrscheinlich wusste Arkani jetzt auch nicht weiter und vertraute sich Allahs Hilfe an. Warum sonst waren sie von ihrer Route abgewichen? Ihre Situation schien aussichtslos. Sie sollte die beiden auch mit einem Gebet unterstützen.
    Sie kletterte von ihrem Mehari und sank daneben auf die Knie. In einem Anfall von naiver Frömmigkeit faltete sie die Hände und senkte den Kopf. »Bitte, Gott, mach, dass wir den Weg zurückfinden. Schenke Arkani Erleuchtung und Wasser. Wenn du ein gütiger Gott bist, dann kannst du drei Menschen ...«, sie hob kurz den Blick, »...und drei unschuldige Kamele doch nicht

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