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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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hockte sich neben Aissa.
    »Wo ist Arkani?«, fragte sie langsam.
    Aissa blickte sie einen Augenblick prüfend an, dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit. Désirée fasste nach Aissas Handgelenk und hinderte sie daran, die Schüssel mit dem eingerührten Teig zu greifen. »Aissa, wo ist Arkani?«, wiederholte sie eindringlich ihre Frage.
    Aissa gab den Blick zurück und entriss Désirée ihre Hand.
    »Arkani«, sagte sie dann und zeigte auf die Wüste. Arkani war also in die Wüste geritten. Doch das wusste Désirée bereits. Sie würde auch von Aissa keine Antwort erhalten. Zudem schien sie Aissa verärgert zu haben, denn die Frau erhob sich und schimpfte auf Désirée ein. Sie verstand zwar kein Wort, aber Aissas Tonfall war alles andere als freundlich.
    Sie hielt es für angebracht, sich zurückzuziehen und ihren Platz auf der Matte vor dem Zelt einzunehmen. Aissa schimpfte noch eine Weile vor sich hin, dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit. Sie würdigte Désirée keines Blickes mehr.
    Für Désirée hieß es weiter warten, nichts als stumpfsinnig warten.
    Es war noch ein halber Tagesritt bis zur Oase Zaouatanlaz. Arkani ließ sein Mehari gehen, ohne es zu treiben. Das kluge Tier witterte, dass es zum Fluss ging. Es würde nicht unnötig trödeln. Er war stolz auf das wundervolle Dromedar. Es war gänzlich weiß und einem Fürsten angemessen. Er war kein Fürst, noch nicht. Aber eines Tages würde er es sein. Er besaß die Achtung und den Respekt des Stammes. Die Männer hörten auf ihn. Er führte die Krieger an, er entschied klug und weise. Es sprach nichts dagegen, dass die Männer des Stammes ihn zum Amenokal wählen würden. Aber es gab einen gewählten Amenokal, und das war Arkanis Vater. Auch wenn er dessen Sohn war, so musste er sich trotzdem beweisen. Es gab kein Anrecht darauf aufgrund der Geburt.
    Bislang hatte Arkani keinen Zweifel daran gehegt, wie die Zukunft für ihn aussehen würde. Er verschwendete kaum einen Gedanken daran. Kluge Taktik, Mut und das Schwert hatten ihn und seinen Stamm immer wieder zu den Siegern der Wüste gehören lassen. Es war immer so gewesen, und es würde immer so sein.
    Nach dem Gespräch mit dem weisen Mann war er sich dessen plötzlich nicht mehr so sicher. Alhavi war ein Schriftgelehrter. Er war ausgezeichnet durch die Nähe zu Allah, aber auch zu den Geistern der Tuareg. Er kannte den Koran, er beherrschte die Schrift Tifinagh. Und er gab weise Ratschläge. Auf ihn hörte auch der Amenokal.
    Einen halben Tag verbrachte Arkani bei Alhavi. Die Hälfte der Zeit davon tranken sie Tee, unterhielten sich über die Wüste, die Meharis, die Größe der Ziegenherden, den Wind und die Welt. Dann hob der Alte den Kopf.
    »Was könnte ich dir sagen, was du ohnehin nicht schon weißt?«
    »Ich weiß es nicht, heiliger Mann«, erwiderte Arkani.
    »Egal, was ich dir rate«, entgegnete Alahvi, »dein Entschluss steht fest. Und weder ich noch der Amenokal werden dich daran hindern können.«
    Arkani senkte den Blick. Wenn er auf den Grund seiner Seele schaute, dann musste er Alhavi Recht geben. Er hatte sich schon längst entschieden.
    »Der Amenokal wünscht eine Antwort«, sagte er schließlich.
    Alhavi schnaufte leise. »Auf welche Frage?« Dann lachte er meckernd. »Du willst die Verantwortung auf jemand anderen abwälzen. Du wirst sagen, der Marabout hat es so gesagt, also ist es seine Schuld.«
    Arkani wollte aufbegehren, zog es dann aber vor zu schweigen. Es schickte sich nicht, einem weisen Mann zu widersprechen.
    »Gedanken und Wünsche fliegen um uns herum«, sprach Alhavi weiter, als spräche er zu sich selbst. »Sie versuchen in uns einzudringen. Was bewirken sie? Gutes? Schlechtes?«
    Er legte seine Unterarme auf seine untergeschlagenen Beine. »Seit Anbeginn der Zeiten gelten Gesetze für unser Volk. Es sind Gesetze, die unser Volk in der Wüste über diese Zeiten hinweg überleben ließen. Sie schreiben jedem von uns vor, wo sein eigener Platz in dieser Welt ist. Aber ob du die Gesetze beherzigst oder nicht, ist deine eigene, freie Entscheidung.«
    Dann bewegte Alhavi seinen Oberkörper vor und zurück, und Arkani wusste, dass er nichts mehr sagen würde.
    Arkani hatte sich zu einer letzten Rast niedergelassen, obwohl sein Mehari durchaus in der Lage gewesen wäre, die restliche Strecke ohne Pause zurückzulegen. Er zögerte, in das Lager zurückzukehren, als würde er dadurch die Entscheidung, die er ohnehin schon getroffen hatte, aufschieben können. Alhavi

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