Im Bann des roten Mondes
eine himmlische Strafe dafür, dass ich mich so weit gewagt habe. Aber verdammt, ich will diese Strafe nicht akzeptieren!«
»Du fluchst wie ein Ziegentreiber«, spottete er.
»Ist es ein Wunder? Ich weiß nur, das Paradies besteht aus Wasser, nichts als Wasser. Ich wusste in meinem ganzen Leben nicht, wie sehr ich mich einmal nach Wasser sehnen würde. Mein Begehren, o ja, ich begehre Wasser, Wasser, Wasser! Wahrscheinlich willst du mich doch in der Wüste verdursten lassen. Wir haben ja nicht einmal mehr Trinkwasser.«
Er warf ihr einen kurzen Blick zu, dann trieb er sein Mehari wieder an. Leichtfüßig setzte es sich in Trab, als drückte die Sonne nicht mit grausamer Kraft auf ihre Köpfe. In diesem Augenblick hätte Désirée ihn am liebsten in die Hölle gewünscht. Aber da befanden sie sich ja schon.
Die Felsen wurden höher und schroffer und glichen einem kleinen Gebirgsausläufer. Langsam bewegte sich die Karawane in die Felslandschaft hinein. Arkani hob die Hand, sie verlangsamten ihr ohnehin schleppendes Tempo. Ab und zu lösten sich zwei Reiter von der Gruppe und inspizierten das Gelände. Wen oder was erwarteten sie hier?
Sie wollte Arkani fragen, doch er wich ihr aus. Nach und nach formierten sie sich wieder zu einer Karawane. Bewaffnete Krieger ritten am Anfang und am Ende, dazwischen die Sklaven und mittendrin Désirée. Sie empfand die dunklen Felsen als drohend. Sie rückten immer enger zusammen und bildeten einen schmalen Durchlass für die in der Landschaft fast verloren wirkenden Reisenden. Die Gespräche unter den Männern verstummten.
Dann hatten sie die Schlucht durchquert, und sie öffnete sich wieder zur Wüste. Désirée bedauerte es. Im Schatten der Felsen war es ein wenig erträglicher. Mittlerweile hatte sie sich einer stumpfen Lethargie ergeben, die nichts mehr zu ihrem Gehirn durchließ als diesen permanenten, boshaften Schmerz. Es war undenkbar, dass sie in dieser Verfassung weiter nach ihrem Vater suchen konnte. Und an den Rückweg mochte sie gar nicht denken. Am liebsten würde sie sterben. Wieder einmal ...
»Wasser!« Dieser überraschte Ausruf entfuhr Désirée, als sie unvermittelt vor dem kleinen See standen, der versteckt zwischen dunklen Felswänden lag. Er schimmerte wie Silber und atmete Kühle aus.
»Wasser!« Sie glaubte an eine Fata Morgana, sie glaubte an ein Trugbild ihrer verwirrten Sinne. Bekam man nicht Halluzinationen, wenn man kurz vor dem Verdursten war?
Die kleine Karawane hielt, und die Reiter stiegen von ihren Meharis. Touhami kam zu ihr und zwang ihr Mehari zu Boden. Für einen Moment versagten Désirées Beine den Dienst, und sie taumelte. »Wasser«, flüsterte sie benommen.
Unvermittelt stand Arkani neben ihr und stützte sie. Unwillig schob sie seine Hand beiseite und bemühte sich um Haltung. Fasziniert über den unerwarteten Anblick wankte Désirée zum Ufer. Fast überall war es steil und felsig, nur an einer Stelle befand sich ein Zugang von der Wüste her. Auch hierhin hatte der Wind Sand geweht.
Die Männer trieben die Meharis zum Wasser. So als wäre es nichts Besonderes, senkten die Tiere die Köpfe und begannen gemächlich zu saufen. Mit brennendem Blick beobachtete sie Arkani, wie er sich an das Ufer kniete und das kristallklare Wasser in die Mulde seiner Hände schöpfte. Ebenso andächtig wie die Meharis senkte er den Kopf und trank. Er wiederholte es ein zweites und ein drittes Mal, dann benetzte er sein Gesicht damit. Schließlich erhob er sich wieder, zog sorgfältig den Schleier vors Gesicht und wandte sich zu ihr um.
Wortlos nahm er ihre Hand und führte sie etwas abseits um einen Felsvorsprung herum. Es war ein unwirklicher Anblick, wie Zauberei, dieser stille, entlegene See inmitten dieses Glutofens. Ihre Sinne begannen wieder zu arbeiten. Tief sog sie die kühle Feuchte, die dem See entstieg, in die Nase ein. Eine heftige Sehnsucht kam in ihr auf.
»Möchtest du baden?«
Sie konnte sich von dem Anblick nicht losreißen und nickte stumm.
»Dann tu es«, sagte Arkani. »Ich kümmere mich um dein Mehari.«
Sie schlüpfte aus den Sandalen und lief barfuß über den weichen Sand. Dann ließ sie den Schleier fallen, danach den Gürtel. Sie blickte sich um. Von den Männern war nichts zu sehen. Hinter dem Felsen hörte sie das unwillige Knurren der Meharis und die Stimmen der Reiter. Trotzdem ging sie zu einer kleinen Nische im Fels, um sich dort der weißen Gandura zu entledigen.
Das Gefühl, ihren nackten Körper dem
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