Im Bann des stolzen Wuestenprinzen
in einer Art und Weise, die sie bisher nicht kannte.
Impulsiv hatte sie sich zu ihm gedreht, um die Hand auf seinen Arm zu legen, doch die reglosen Mienen seiner Leute hatten sie im letzten Moment zurückgehalten. Auch Amirs Miene war distanziert und undurchdringlich gewesen. Die Aura von Autorität verbot es jedem, ihm nahe zu kommen, selbst ihr.
Nein, vor allem ihr.
Der leidenschaftliche Liebhaber von gestern Nacht hätte genauso gut eine Illusion sein können. Den ganzen Morgen über hielt er sich steif und reserviert. Zwischen ihnen hatte sich eine Kluft aufgetan, die Cassie schier zerriss. Dennoch war sie in das Ärztezelt gegangen und hatte sich zu überzeugen versucht, dass es besser so sei. Die letzte Nacht konnte nur auf einen Anfall von Wahnsinn zurückzuführen sein. Überhaupt sollte sie dankbar sein, dass Amir es ihr so leicht machte, die Sache zu vergessen. Nur … sie war nicht dankbar, sondern verzweifelt.
An diesem Punkt hatte Cassie sich zusammengenommen, die Schultern gereckt und das Kinn gehoben. Sie jammerte nicht. Nie! Zwar hatte noch immer der staubige Umhang auf ihren Schultern gelegen, doch mit der Haltung einer Königin hatte sie sich durch die Marmorhallen des Palastes führen lassen.
In der Abgeschiedenheit ihrer Suite hatte sie das Theaterspielen allerdings aufgegeben.
„Geht es Ihnen nicht gut, Madam?“
„Doch, natürlich.“ Cassie zwang sich zu einem Lächeln und versuchte zu ignorieren, wie sehr die dunklen Augen der Zofe sie an Amirs Augen erinnerten. Es war ein helleres, sanfteres Braun, sie glühten auch nicht so wie Amirs Augen, aber … Sie konnte nicht aufhören, an ihn zu denken! „Ich bin nur ein wenig müde, vor allem nach dem langen Bad bin ich jetzt, glaube ich, zu entspannt.“
„Das ist gut. Seine Hoheit wünscht nämlich, dass Sie sich ausruhen.“ Die Zofe klatschte in die Hände, und zwei Frauen kamen herein, um die Kleider wegzuräumen. „Wenn Sie nichts dagegen haben, Madam, werde ich eine kleinere Auswahl in Ihr Ankleidezimmer hängen lassen. Dann können Sie sich etwas aussuchen, nachdem Sie geruht haben.“
„Danke.“ Sicherlich war es albern, aber für einen Moment hegte Cassie wirklich den Verdacht, dass Amir ihr ihre Dienste von gestern Nacht vergüten wollte. Eine lächerliche Vorstellung, dennoch aufreibend.
„Haben Sie noch einen Wunsch?“
„Nein, danke.“ Eigentlich müsste Cassie Tausende von Dingen erledigen. Sie brauchte einen neuen Pass, nachdem ihr alter bei der Entführung verloren gegangen war, sie musste zu einer Bank, um ihr Konto zu überprüfen, und sie sollte die Leute vom Austauschprogramm wohl wissen lassen, wo sie war. Doch im Moment hatte sie einfach nicht die Energie dazu. „Ich denke, ich werde mich eine Weile hinlegen.“
Die Frauen zogen sich diskret zurück. Cassie war in Sicherheit und bestens umsorgt. Es war absurd, sich verlassen zu fühlen. Und doch lastete das Gefühl auf ihr. Wegen des Mannes, der für eine so kurze Zeit ihr Liebhaber gewesen war.
Allein wenn sie daran dachte, lief ihr ein Prickeln über die Haut. Amir war leidenschaftlich und zärtlich gewesen, fordernd und rücksichtsvoll zugleich. Sie hatten Dinge miteinander geteilt, die sie sich nie erträumt hätte …
Abrupt sprang sie auf. Vermutlich fühlten alle Frauen diese Sehnsucht nach dem ersten Mann, auch wenn es nur für eine Nacht gewesen war. Sie konnte die Geschehnisse ja kaum verarbeiten, da sie schon am nächsten Morgen den gefährlichen Abstieg aus den Bergen unternommen hatten. Sie sollte dankbar sein, dass gar keine Zeit für Verlegenheit geblieben war. So konnte sie tun, als wäre nichts passiert – genau wie Amir.
Cassie stellte sich ans Fenster und sah in den Palastgarten hinaus.
Sie war es, die das Liebesspiel initiiert hatte. Sie hatte Sex gewollt, sozusagen als Gegenmittel für die maßlose Anspannung, unter der sie seit einer Woche gestanden hatte. Und um die diffuse Angst vor Intimität mit einem Mann endlich zu überwinden. Warum also sollte sie leiden, nur weil Amir Distanz hielt? Warum sollte sie sich so sehr nach einem zärtlichen Blick, nach einem sanften Wort von ihm sehnen?
Einen Moment lang erlaubte sie sich die Vorstellung, dass Amir mehr von ihr wollte … sie beide als Paar … für viel länger als nur eine Nacht …
„Nein!“ Entschieden schwang sie herum. Sie war stark, sie war unabhängig. Sie verlor sich nicht in albernen Träumereien über einen Mann. Über keinen Mann.
Als die Dämmerung
Weitere Kostenlose Bücher