Im Bann seiner Küsse
drangen und seine Brust benetzten.
Plötzlich rückte sie von ihm ab und starrte ihn mit bekümmertem Blick an. Da wurde ihm klar, wie sehr er sie verletzt hatte, indem er einfach davonging, und wie viel Angst sie ausgestanden hatte. Das Wissen, dass er ihr wehgetan hatte, verursachte ihm bohrende, dumpfe Schmerzen.
Er legte die Arme um sie und hielt sie ganz fest. Er wollte alles mit ihr teilen, wollte ihr alles sagen, hatte aber Angst davor. Verdammt viel Angst. Die Ärzte hatten ihm geraten, nicht davon zu sprechen, ja nicht einmal daran zu denken. Was, wenn er den Mund öffnete und anstatt Worte hervorzubringen nur schreien konnte? Er fürchtete, dass er, wenn er einmal zu schreien begann, niemals würde aufhören können und eines Tages wieder namenlos und allein in einem schmutzigen Spitalbett erwachen würde.
Der Gedanke ließ ihn schaudern, wenn er an die vielen Monate dachte, die er auf der durchgelegenen Pritsche verbracht hatte, als er, ohne denken oder sprechen zu können, blicklos zur blutbespritzten Decke gestarrt hatte.
»Jack?«, flüsterte sie und berührte seine Wange.
Er sah auf sie hinunter. Er konnte die Frage in ihrem Blick sehen, konnte sehen, wie verzweifelt sie verstehen wollte, wo er gewesen und warum er fortgegangen war, aber sie fragte nicht.
»Warum?« Das Wort entschlüpfte ihm wider Erwarten.
»Warum was?«
»Warum fragst du nicht?«
Sie blinzelte überrascht. »Ich möchte es wissen, aber ... ich vertraue dir, Jack. Und darauf kommt es an. Du wirst mir alles sagen, wenn du bereit bist.«
Ihr Blick war so voller Liebe und Vertrauen, dass er spürte, wie in ihm etwas abzubröckeln begann. Er hatte sich einen Neuanfang vorgenommen. Er hatte Gott ein Versprechen gegeben und es nicht gehalten. Nicht wirklich. Es würde keinen Anfang, keinen Neubeginn geben, ehe er seiner Frau nicht Vertrauen schenkte. Ehe er ihr nicht sein Herz, seine Seele und sein Geheimnis anvertraute.
Jack wusste, der Moment war gekommen. Wenn er ihr jetzt nicht vertraute, wenn er ihr seine Seele nicht öffnete, würde sie ihn nie wieder auf diese Weise ansehen.
Wenn er es ihr aber sagte, würde die Liebe in ihren Augen vielleicht erlöschen und sich in etwas Kaltes und Hässliches verwandeln wie schon einmal.
Oder auch nicht.
Er tastete ihr Gesicht mit den Augen ab, prägte es sich ein, liebte es. Sie war alles, was er sich jemals im Leben gewünscht hatte, alles, was er jemals gebraucht hatte. Hier auf dieser abgewirtschafteten alten Schaffarm hatte er bei ihr und den Kindern endlich das Heim, jenen Ort gefunden, den er sein Leben lang gesucht hatte.
Und jetzt musste er alles riskieren, um es zu behalten und herauszufinden, ob es real war.
Sei einmal im Leben kein Feigling. Mach nur den Mund auf und spuck alles aus. Gut möglich, dass sie dann geht... verdammt, sehr wahrscheinlich wird sie gehen. Aber sie könnte auch bleiben. Es könnte sein, dass sie dich in die Arme nimmt, dich sanft küsst und dir sagt, dass sie dich auch so liebt.
Der Gedanke ließ ihn laut aufstöhnen.
»Jack?«
»Na schön.« Er brachte die Worte nur mühsam heraus. »Setzen wir uns. Es ist eine lange Geschichte.«
Ein leiser Seufzer entschlüpfte ihr. Sie starrte ihn ernst an. »Bist du sicher?«
Er nickte wortlos, nahm sie an der Hand und griff nach der Lampe. Dann stieg er ihr über eine Leiter voraus auf den Heuboden. Sie setzten sich und lehnten sich an die Hinterwand. Jack konzentrierte sich auf das Gefühl ihrer Finger in seiner Hand und betete, dass sie seine Berührung nicht verabscheuen würde, wenn alles vorüber war.
»Es geht um Johnny« Seine Stimme wurde weich, als er den
Namen seines Bruders aussprach. »Er war stark und lustig und kannte keine Furcht.« Mit der Erinnerung kam ein bittersüßes Lächeln. »Ich war ... klein und schwach und hatte vor allem und jedem Angst. Außer wenn ich mit Johnny zusammen war. Er ließ mich immer vergessen, wie sehr ich alles fürchtete. Den Krieg beispielsweise.« Ihn schauderte. »Johnny musste natürlich bei den Ersten sein, die sich meldeten, während ich überhaupt nicht gehen wollte, weil ich gegen den Krieg war. Außerdem warst du mit Savannah schwanger ... aber ich konnte ihn doch nicht allein ziehen lassen.«
Jack ließ den Blick zur Hinterwand wandern, wo das Heu aufgehäuft war, dessen würziger Duft sie umgab. Er aber nahm es nicht wahr. Er roch nur Blut, Schweiß und Angst.
»Wir zogen also ins Feld.« Seine Augen wurden schmal, er starrte die Plankenwand
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