Im Bann seiner Küsse
an, vor der Staubteilchen tanzten. Bitterkeit brodelte in ihm und hinterließ einen beißenden Nachgeschmack. »Bald wurde uns klar, wie elend unsere Ausrüstung und Ausbildung waren. Wir marschierten und marschierten in einem fort. Als unsere Stiefel kaputt waren, gab es keinen Ersatz, dann ging uns der Proviant aus, und es gab nur noch faulige Apfel und gestohlenen Mais. Wir waren müde, hungrig und krank.
Unsere Kompanie geriet da und dort in kleine Scharmützel, sonst aber tat sich nicht viel. Nie waren wir wirklich in Gefahr. Unsere größten Feinde waren Krankheiten und Langeweile.
Dann aber ...« Seine Stimme versagte. Erinnerungen und Bilder schössen ihm durch den Kopf, er zuckte zusammen und kniff die Augen zusammen.
»Ich bin da, Jack. Du bist in Sicherheit. Alles ist gut.«
Sie sagte die Worte immer wieder. Jack konzentrierte sich auf ihren leisen schleppenden Tonfall, und die Rauheit seiner Gefühle ging in etwas Erträglicheres über. »Dann kam Antietarn.« Der Name jagte ihm Schauer über den Rücken. Immer schon, wenn er ihn laut aussprach, und auch jetzt noch, Jahre danach, krampfte sich sein Magen vor Scham und Angst zusammen.
Er versuchte Abstand zu dem Entsetzlichen zu gewinnen. Reglos starrte er vor sich hin. Bilder von Blut und Tod füllten Ekel erregend sein Bewusstsein. Die warme, behagliche Scheune verschwamm, wurde zu einem nebelverhangenen Maisfeld. »Am Morgen hatte Regen eingesetzt, Bodennebel lag über Senken und Schützengräben. Nichts als Schlamm, massenhaft Schlamm ...
Ganz plötzlich brach die Hölle im Nebel los. Gewehr-und Geschützfeuer aus allen Richtungen. Als der Befehl zum Angriff kam, machte ich ... einen Schritt, aber der Schlamm war so zäh, dass ich mich nicht rühren konnte ... ich blieb stehen. Ich hatte so große Angst.«
Scham raubte seiner Stimme jede Kraft. »Dann explodierte vor mir ein Kanister. Ein Arm flog an meinem Gesicht vorüber ... ich sah Billy Walker vor mir stehen, er umklammerte einen blutigen Stumpf. >Mein Arm<, sagte er immer wieder. >Mein Arm.<«
Jack fühlte sich von der Flut der Erinnerungen, die er so lange unterdrückt hatte, wie erschlagen. »Ich konnte mich nicht bewegen. Ich hörte von irgendwo vorne Johnny nach mir schreien.«
Komm, Jacko, wir brauchen dich!
Die Erinnerung sprang ihm an die Kehle. Gespenstische Kälte kroch durch seinen Körper bis ins Mark. Er schauderte zusammen und schloss die brennenden Augen. »Ich rannte, so schnell ich konnte, und schrie Johnnys Namen, immer wieder. Ich wusste, dass er in Bedrängnis war, wusste aber nicht...« Er sprach nicht weiter.
»Jack?«
Er schüttelte den Kopf. Scham blockierte seine Kehle so fest, dass er nicht sprechen, nicht atmen konnte. Tränen brannten ihm in den Augen, alles verschwamm. Er presste die Hand an den Mund, um nicht loszuheulen.
Tess zog ihm die Hand weg und hielt sie fest. »Schon gut Jack. Es ist gut.«
Krampfhaftes Schluchzen erschütterte seinen Körper, aber er hielt es zurück, wobei er vor Anstrengung zitterte. »Die Arzte sagten, ich solle es vergessen«, stieß er hervor.
»Sie irrten sich«, sagte sie leise. »Das weißt du. Warst du jemals imstande, ihren Rat zu befolgen?«
Beschämt schüttelte er den Kopf. »Nein.«
Tess fasste nach seinem Kinn und drehte sein Gesicht zu sich. »Jack, heraus damit. Es zehrt dich innerlich auf. Und wenn wir jahrelang jeden Abend darüber sprechen müssten, werden wir es tun.«
Er zwinkerte die heißen Tränen zurück und starrte ihr in die ernsten Augen. In ihren Tiefen fand er einen Ort des Trostes, der Hoffnung und der Zugehörigkeit. Den sicheren Hort, den er sein Leben lang gesucht hatte. Sie verlangte nur, dass er es versuchte. Versuchte.
»Sein ... Kopf ... er ... traf mich.« Nun überwältigten ihn die Tränen endgültig und wurden zu heißen, schmerzenden Schluchzern, die ihn bis ins Innerste erschütterten. Er schloss die Augen und wiegte sich vor und zurück, als er die verhassten Worte hervorstieß. »Ich lief weiter, und da passierte es. Johnnys Kopf traf mich voll in den Leib. Ich ... ich packte ihn.«
»Oh Gott, Jack ...«
»Da war Blut. So viel Blut. Ich spürte es zwischen den Fingern, und ich dachte nur: >Es ist Johnnys Blut. Er braucht es.< Ich konnte ihn nicht loslassen ...«
Wo warst du, Jacko ?
»Ich ... tötete ihn.«
Tess berührte seine Schulter. »Nein, das hast du nicht. Ein anderer tötete ihn.«
Er drehte sich zu ihr um, von dem Gefühl erfüllt, seine Seele habe ihn langsam
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