Im Bann seiner Küsse
letztes Jahr zum Dinner kam.«
Tess zuckte bei der falschen Wendung zusammen und nahm sich vor, schon morgen mit Grammatiklektionen anzufangen. »Was haben wir heute?«
»Donnerstag.«
»Also fast Wochenende. So, und jetzt wascht euch. Euer Daddy wird bald da sein.«
Jack schob den verbeulten grauen Stetson zurück und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Die Augen gegen das blasser werdende Abendrot zusammengekniffen, blickte er die Länge des Zaunes entlang, den er heute gemacht hatte.
Herrgott, wie gern er hier draußen war - allein und wie in alten Tagen von der Arbeit auf seinem eigenen Land völlig beansprucht. Hier litt er weder unter Angst, noch war er einsam
oder wurde von Reue geplagt. Niemand erwartete etwas von ihm oder sah ihn mit Augen voller Schmerz oder Hass an. Er war nur Jack Rafferty, Schafrancher auf San Juan, nicht mehr und nicht weniger. Nicht Jackson Beauregard Rafferty III, der wegen seiner Feigheit verstoßene Sohn des reichsten Pflanzers von Georgia.
Nicht zum ersten Mal übermannte ihn eine Anwandlung von Reue, die ihn fast erstickte. Sie hätten hier draußen ein gutes Leben haben können. Wenn Amarylis der Insel oder ihm nur eine Chance gegeben hätte. Natürlich hatte sie das nicht. Zehn Minuten nach der Landung in Garrison Bay hatte sie die Insel samt Bewohnern mit einer hochmütigen Geste ihrer blassen Hand einfach abgetan. An einem so abgelegenen Ort konnte nur armes weißes Pack leben, und Amarylis Rafferty wollte mit diesem Gesindel nichts zu tun haben. Jack hatte gesehen, wie Savannah unter den Worten ihrer Mutter zusammenzuckte, hatte auch bemerkt, wie eine Ahnung von Einsamkeit in den Augen seiner Tochter erschien. Ein Ausdruck, der an jenem Tag geboren wurde und seither jeden Tag gewachsen war, bis Jack sich nicht mehr entsinnen konnte, wie sie ohne ihn ausgesehen hatte.
Lange stand er da, sah zu, wie der Wind durch das vergoldete Gras fegte und das Wasser in der Ferne kräuselte. Die leichte Brise ließ das Laub rascheln, und als sie sich legte, hinterließ sie eine geradezu überirdische Stille.
Noch einmal wischte er sich über die Stirn, dann machte er sich auf den Weg zum Abendessen. Als er die Ecke der Scheune hinter sich brachte, kam das Haus in Sicht, und seine allzu seltene gute Laune war verflogen. Sein Magen krampfte sich zusammen.
Er ging über den Hof und stieg langsam die Stufen hinauf, wobei er sein steifes Rückgrat bei jedem Schritt quälend spürte. Nach dem Debakel mit dem Bad kam er sich wie ein Gefühlsakrobat vor. Ein falscher Schritt, und die Arbeit eines ganzen Jahres war dahin.
Nach einem tiefen Atemzug öffnete er und trat ein.
»Hi, Jack«, hörte er seine Frau gedehnt sagen. »Willkommen daheim.«
Er war zu verblüfft, um seine Reaktion zu verbergen. »Du trägst deine ...«
»Unaussprechlichen. Ich weiß. Savannah sagte es schon.« Aufrichtiger Humor blitzte aus ihren braunen Augen. »C'est la vie.«
»Se... was?«
»Es heißt grob übersetzt >so ist das Leben<. Da mein Bu...«, mit einem Blick zu den Kindern berichtigte sie sich, »... meine Brust aber bedeckt ist, spielt es keine Rolle.«
Savannah und Katie hielten sich die Hände vor den Mund, um nicht laut loszuprusten.
Jack sah sich in der Küche um und suchte etwas, irgendetwas, das ihn von ihrem üppigen und verlockenden Dekolletee ablenken würde. »Du benutzt das Sonntagstischtuch.«
Wie dumm, Jack. Richtig blöd. Jetzt wird sie es herunterreißen und es...
»Donnerstag.«
»Was?«
»Jetzt ist es das Donnerstagstischtuch. Morgen wird es das Freitagstischtuch sein. Und dann machen wir ein Picknick. Was haltet ihr davon, Kinder? Wäre ein Picknick am Samstag nicht nett?«
»Ein Picknick? Soll das ein Witz sein?«
»Natürlich könnte es regnen, deswegen müssen wir einen Notplan ausarbeiten ... ein Dinner in der Scheune etwa.«
Plötzlich fragte er sich, ob ihr jemand über den Kopf geschlagen hatte oder ob sie die Verandastufen hinuntergefallen war. »Amarylis? Stimmt bei dir auch alles?« »Gut, dass du das Thema anschneidest.« Sie beugte sich über den Tisch und sammelte die Teller ein.
Jack spürte, dass sich hinter seinen Augen Kopfschmerz bemerkbar machte. Er war sicher, dass sie mit ihm spielte.
Er rieb sich den Nasenrücken und kniff die Augen zu, wobei er mit aller Kraft um Gleichgültigkeit kämpfte. Als er glaubte, sprechen zu können, ohne die Stimme zu erheben, sagte er: »Welches Thema, Amarylis?«
»Meinen Namen. Er stinkt
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