Im Bann seiner Küsse
Hand.
Jack blickte angelegentlich auf den Blumenstrauß, die Hände im Schoß. Einen Moment glaubte Tess, er würde sich widersetzen, doch als sie ihn ansprechen wollte, fasste er nach der Hand seiner Tochter.
Tess senkte den Kopf und wartete, dass alle es ihr nachmachten. Sie taten es, einer nach dem anderen. »Dem Herrn sei Dank für die empfangenen Gaben. Amen.«
»Amen«, murmelten die anderen, und sofort zogen alle ihre Hände zurück.
Mit einem Seufzen nahm Tess ihre Serviette und breitete sie auf dem Schoß aus. Als sie zum Löffel griff und kostete, runzelte sie die Stirn.
Die Brühe schmeckte wie Wasser, das zu lange in der Sonne gestanden hatte. Nein, salziger. Wie Meerwasser.
Sie griff nach dem Pfefferstreuer und würzte ihr Stew. »Was habe ich falsch gemacht, Savannah?«
»Nichts, Mama. Es ist köstlich.«
Tess lachte leichthin. »Na sicher, wenn dir schmutziges Spülwasser schmeckt...«
Savannah kämpfte mit einem Lächeln. »Das Gemüse und das Fleisch sind gut. Vielleicht könntest du nächstes Mal ein wenig Mehl hineintun. Dann wird alles sämiger.«
»Das Mehl wirst selbst du weiß Gott finden können«, murmelte Jack.
Tess sah erstaunt auf.
Jack warf ihr ein Lächeln zu, nur einen Herzschlag lang, ehe sein Mund wieder den üblichen finsteren Ausdruck annahm.
Tess hatte das Gefühl, einen Schlag bekommen zu haben. Die Erinnerung an dieses Lächeln blieb ihr noch lange, nachdem er den Blick abgewendet hatte, schwebte hinunter in den kleinen, verschreckten Winkel ihrer Seele und brachte einen zitternden Lichtstrahl mit sich. Irgendwo besaß Jack versteckten Humor, und wo Lachen war, gab es Hoffnung.
Tess lächelte. Zum ersten Mal, seit sie Jack kannte, hatte sie das Gefühl, sich vielleicht wirklich und aufrichtig in ihn verlieben zu können. Vielleicht...
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8
Kaum war nach dem Essen das Geschirr gespült und weggeräumt, klatschte Tess in die Hände und bat um Aufmerksamkeit.
Jack sah sie wachsam an. »Was jetzt? Sollen wir dich Königin Victoria nennen?«
»Vicky wäre netter«, schoss sie schmunzelnd zurück.
»Mama, was soll ich damit machen ...« Savannah beäugte die flachen braunen Gebilde, unsicher, ob sie den Namen Brötchen verdienten.
»Gut, dass du fragst«, gab Tess zurück und warf ihr feuchtes Spültuch über den Rand des Ablaufbeckens. »Während ich nach Caleb sehe, geht ihr hinaus zur Baumschaukel. Ich komme gleich nach.«
Savannah sah sie entsetzt an. »Aber ...«
»Verdammt, was ...«, warf Jack ein.
Tess ging nicht darauf ein. »Geht nur, alle. Ich komme gleich nach.« Als sie sich nicht vom Fleck rührten, sah sie Jack ernsthaft an. »Ich könnte etwas anderes daraus machen. Vielleicht einen guten Dreischichtenkuchen.«
Jack zuckte zusammen. »Wir gehen. Kommt, Mädels.«
Sie marschierten wie schweigende, unbotmäßige Rekruten aus dem Haus. Tess sah nach dem schlafenden Kleinen, nahm dann die Brötchen und lief hinaus.
Die frische Abendluft, die leichten Meeresgeruch mit sich brachte, erfüllte sie sofort mit einem Schwindel erregenden Gefühl der Erwartung. Mondlicht fiel auf die drei Menschen auf dem kleinen Hof. Hinter ihnen bildeten die Farmgebäude einen kohlschwarzen Wall von Formen und Dachlinien. Ein Stück weiter sah man die Scheune als dunkles Gebilde.
Sie blickte um sich. »Gibt es hier einen Hund?«
Katie lachte nervös auf.
Jacks Augen wurden schmal. »Nein, wir haben keinen Hund.«
»Zu schade.« Tess hob ihren Saum an, stützte die schwere Pfanne auf eine Hüfte und stieg vorsichtig die Stufen hinunter.
Schleppenden Schrittes und sichtlich widerstrebend kamen die anderen näher. Tess stellte die Pfanne auf den Boden. »Savannah, lauf hinunter bis zum Hühnerstall. Ich werfe dir eines zu.«
Als Savannah tat, wie ihr geheißen, griff Tess nach einem Brötchen. »Los«, rief sie aus und schleuderte locker aus dem Handgelenk das steinharte Gebäck weit von sich.
Die hellbraune Scheibe flog durch die Luft.
»Fangen!«, schrie Tess.
Savannah streckte sich und verfehlte es nur knapp. Das Brötchen sprang von ihren Fingerspitzen ab und prallte gegen die Wand des Hühnerstalls. Steinharte Stückchen zerstoben in alle Richtungen.
»Steht die Wand noch?«, rief Tess.
Neben ihr hielt Katie sich den Mund zu.
Tess berührte die Schulter des Mädchens. »Du kannst ruhig lachen«, sagte sie leise.
Katie sah auf. Im schwachen Licht wirkten ihre braunen Augen riesig im kleinen bleichen Oval ihres Gesichtes. »Darf ich es
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