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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Sie griff unsicher nach dem verkürzten Ledergürtel, ohne den Blick von den über die Pultfläche verstreuten Büchern abzuwenden.
    Konzentriere dich, sagte sie sich. Es ist nicht schwer. Es kann nicht schwer sein. Alle tun es die ganze Zeit über.
    Natürlich taten alle anderen viele Dinge, die ihr sehr schwer fielen.
    Mit übertriebener Sorgfalt machte sie sich daran, ihre Bücher auf dem offenen Riemen aufzuschichten.
    »Savannah? Katie?«
    Sie erstarrte. Es war Miss Arnes' Stimme.
    »Ja, Ma'am?«, antwortete Savannah.
    Katie schluckte unwillkürlich und schob ihr Kinn vor. Miss Arnes starrte sie direkt an. Die Härte in den Augen der Lehrerin ließ sie schaudern.
    Miss Arnes kam auf sie zu, flott, mit Absätzen, die auf den Dielenbrettern wie eine Schnellfeuergewehrsalve ratterten. Jedes Klicken traf Katie wie eine Ohrfeige. Sie umklammerte den schweren Wollstoff ihres Rockes und drückte ihn nervös.
    Miss Arnes hielt ein kleines Blatt Papier hoch. »Savannah, das sollst du deiner Mutter geben. Ich erwarte, dass sie in den nächsten Tagen wegen« - ihr missbilligender Blick glitt zu Katie - »der bedauerlichen Faulheit deiner Schwester zu mir kommt.«
    Mit einem leisen Schmerzenslaut richtete Katie den Blick auf die abgenutzte Tischplatte.
    »Sie ist nicht faul, Miss Arnes. Sie arbeitet wirklich ...«
    »Belehre mich nicht«, unterbrach Miss Arnes sie ungnädig. »Ich bin schon länger Lehrerin, als du auf der Welt bist, und du kannst mir glauben, dass ein Kind, das mit sieben noch nicht lesen kann, faul oder dumm ist.«
    Savannah griff nach Katies zitternder Hand und drückte sie beruhigend.
    Katie klammerte sich an die Hand ihrer Schwester. Tränen der Scham und Demütigung ließen die Tafel zu einem schwarzen Fleck auf der Holzwand verschwimmen.
    »Lauft jetzt los«, sagte Miss Arnes, drehte sich um und schritt forsch zurück zu ihrem Katheder vor den Bankreihen.
    Savannah schob Katies Bücher zusammen und band sie mit einer so flinken Bewegung zusammen, dass Katie sich noch dümmer und ungeschickter vorkam.
    »Gehen wir, Katie.« Sie drückte die Bücher an sich und führte ihre Schwester den Mittelgang entlang.
    Katie hielt den Kopf tief gesenkt und kämpfte verzweifelt gegen ihre Tränen an, während sie neben ihrer Schwester dahintrippelte. Um nicht zu stolpern, starrte sie auf ihre Füße und achtete auf jeden Schritt. Den Gang entlang, durch die Tür, über die abgetretenen Holzstufen und auf das weiche frische Gras.
    »Jetzt kannst du aufschauen«, sagte Savannah leise. »Alle sind fort.«
    Katie zwang ihr zitterndes Kinn hoch. Der umzäunte, von Bäumen bestandene Schulhof verschwamm zu einem Farbengemisch aus grünem Gras und blauem Himmel.
    »Miss Arnes irrt sich. Du bist nicht faul. Du bist nur ...«
    »... dumm.« Das demütigende Wort brach aus Katie hervor.
    »Nein!« Savannah fielen die Bücher aus den Armen und trafen mit dumpfem Aufprall in einer Staubwolke auf dem Boden auf. Sie drehte sich um, kniete nieder und umfasste Katies Schultern. »Du bist nicht dumm. Glaube das ja nicht. Keine Sekunde lang.«
    Große, schmerzende Tränen quollen hinter Katies Wimpern hervor und flössen ihr über die Wangen. »Ich bemühe mich so sehr.«
    Auch Savannah kamen die Tränen. »Ich weiß.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch.
    Als Katie Savannahs Tränen sah, fühlte sie sich noch jämmerlicher. »Komm«, sagte sie mit belegter Stimme. »Gehen wir.«
    Savannah nahm ihre Schwester in die Arme. »Ich werde dir helfen«, flüsterte sie an ihrer Wange. »Ich schwöre, dass ich es tun werde. Ich weiß nur nicht, wie.«
     
    Tess starrte die Benachrichtigung erschrocken an. Dann schaute sie auf, eine bissige Bemerkung auf den Lippen.
    Ihr Blick fiel auf die Mädchen. Savannahs Augen waren angstvoll aufgerissen, ihre Haut kalkweiß. Und Katie war in ihre alte Gewohnheit verfallen, sich hinter den Röcken ihrer Schwester zu verstecken. Man sah, dass die beiden tausend Ängste ausstanden.
    Tess zwang sich zur Ruhe. Sie war zu wütend auf diese Schulhexe, um jetzt mit den Mädchen ein vernünftiges Wort reden zu können, doch das hatte später Zeit. Und wenn sie damit fertig war, würde keine der beiden jemals wieder Grund haben, sich zu ängstigen.
    »Keine Angst, Mädchen«, sagte sie leise. »Überlasst das nur mir.«
     
    Jack hörte entschlossene Schritte auf die Scheune zukommen und zuckte zusammen. Er kannte diesen raschen, sachlichen Gang zu gut. Er gehörte nicht zu der >neuen und verbesserten

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