Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
Vom Netzwerk:
Eselsohren verunzierten Seiten anstarrte, spürte er, wie der dünne Hoffnungsfaden, der sich durch seine Gedanken wand, die gleißende Verheißung eines >Vielleicht< im Gefolge hatte.
    Er schloss die Augen. Jahrelang hatte er um Hilfe und Führung gebetet, aber nicht ein einziges Mal hatte er geglaubt. Seine Worte waren leere Phrasen gewesen, ohne Gefühl oder Hoffnung oder Vertrauen, vage, unausgeformte Sehnsüchte eines Menschen, der aufgegeben hatte.
    Jetzt fragte er sich, ob es mehr bedurfte als leerer Worte und flehentlicher Bitten, um den Allmächtigen zu erreichen. Vielleicht verlangte Gott mehr als verzweifelte, bald vergessene Gebete. Vielleicht kam es auf den Glauben, auf aufrichtigen Glauben an.
    Er faltete die schwieligen Hände und verschränkte die Finger ganz fest. Die gefalteten Hände legte er auf die offene Bibel und senkte den Kopf.
    Doch das Gebet wollte nicht kommen. Es gab so vieles, was er wollte, so viele Irrtümer, die es zu berichtigen galt, so viele Sünden, die der Vergebung bedurften. Die Größe all dessen verschlang seine schwache Hoffnung und überwältigte ihn. Erschreckte ihn.
    Sein Atem kam schneller. Verzweiflung erfasste ihn und zog seine Gedanken in die Schwärze hinein, die so oft seinen Verstand verdunkelte. Ein Mann wie er, eine feige, irre Hülse, hatte kein Recht auf Vergebung, kein Recht, etwas zu erbitten.
    Zuerst spürte er kaum etwas, aber allmählich wurde er gewahr, wie Wärme seine kalten Finger durchdrang. Dann der Druck, sanft und doch fest.
    Er öffnete die Augen und sah die blasse Hand seiner Frau fest um seine geschlungen. Sie berührte ihn, schützte ihn. Wortlos, ohne einen Blick, gab sie ihm zu verstehen, dass sie da war. Neben ihm. Ruhe, wie er sie nie gekannt hatte, durchströmte seinen Köper und hüllte ihn warm ein. Seine Angst verebbte und wich der ruhigen, festen Gewissheit, dass seine Frau sich wirklich verändert hatte. Er war nun bereit, an sie zu glauben.
    Es gibt immer einen Anfang, dachte er plötzlich. Immer.
    Wieder schloss er die Augen, und diesmal war in ihm kein Chaos, kein Morast von Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Da war nur aus tiefster Seele und aus ganzem Herzen kommendes Verlangen eines Menschen nach einem Neuanfang. Eines Menschen, der bereit war, wieder an Gott zu glauben - und an seine Frau.
    Jack hatte keine Ahnung, wie lange er dasaß, den Kopf gesenkt, mit geschlossenen Augen, die Hände zum Gebet gefaltet, von Gott Hilfe erflehend. Die Zeit verschwamm, wurde bedeutungslos.
    Stundenlang, wie es schien. Oder nur Minuten.
    »Jack?«
    Tess' ruhige Stimme half ihm aus seinem tranceähnlichen Zustand. Als er den Kopf hob und die Augen öffnete, zwinkerte er, als das Licht ihn unerwartet traf.
    Sie gab seine Hand frei. Sofort empfand er ein durchdringendes Verlustgefühl.
    »Die Predigt ist zu Ende«, sagte sie und stand auf.
    Plötzlich war es vorbei. Die Ruhe, um die er so gekämpft hatte, wich von ihm, und er fühlte sich hintergangen und einsamer als je zuvor. Er bemühte sich, den Faden der Hoffnung wieder zu erhaschen, damit er wieder glauben konnte.
    Er fand ihn, tief verschüttet, aber noch intakt, und seufzte erleichtert. Es war also doch nicht nur eine Einbildung seines nichtswürdigen Bewusstseins. Diesmal hatte er etwas von Wert in sich entdeckt. Jetzt musste er sich nur an das Körnchen Hoffnung klammern, das er gefunden hatte. Es nähren. Leicht würde es nicht sein. Sicher würde er versagen, aber er wollte es - wollte es verzweifelt - versuchen.
    Tess rückte näher, berührte seinen Arm. Er roch ihren Duft, Wiesenblumen und Verheißung. Als er sich umdrehte und in ihre großen ernsten Augen sah, fühlte er sich wie ein aus dem Kerker Entlassener. »Danke«, sagte er lächelnd.
     
    Stunden später schlang Jack die Finger um die dicken, rauen Seile der Schaukel und stellte einen gestiefelten Fuß auf den Brettersitz. Das Holz knarrte und ächzte. In der einfallenden Dunkelheit starrte er zum Haus. Aus dem offenen Fenster drangen helles Licht und Bratenduft.
    Er war zu Hause angelangt. Nach all den Jahren des Suchens, der Leere und des Zweifels hatte er schließlich das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein.
    Er lächelte. Heute in der Kirche hatte er zum Glauben an Lissa gefunden. In jenem Augenblick waren alle Gefühle, die sich seit Jahren verborgen in ihm gestaut hatten, in seinem Herzen zum Vorschein gekommen, und er hatte sich wieder in sie verliebt.
    Er hatte Angst - verdammt große Angst -, aber er war

Weitere Kostenlose Bücher