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Im Banne des stuermischen Eroberers

Titel: Im Banne des stuermischen Eroberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
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seufzte und ließ den Blick bedrückt über die Menschen schweifen, die sich zum Nachtmahl einstellten. Einer von ihnen hatte Hethe die Stufen hinuntergestoßen. Einer ihrer eigenen Untergebenen. Wieder musterte sie die Gesichter und erkannte viele Flüchtlinge von Holden - Leibeigene und Pächter, die sie aufgenommen hatte, nachdem sie grauenhaft misshandelt worden waren. Und die meisten glaubten nach wie vor, dass Hethe diese Misshandlungen befohlen hatte. Ein jeder der Anwesenden mochte genügend Zorn und Groll hegen, um ihm den Tod zu wünschen. Helen konnte diese Wut nachvollziehen. So viele Menschen hatten Unsägliches durchlitten. Wer konnte es ihnen verübeln, wenn sie auf Rache sannen?
    Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Mit einem Mal kamen ihr die Menschen, die sie seit Jahren, manche gar ihr Leben lang zu kennen gemeint hatte, nicht mehr so harmlos vor wie einst. Ein Gefühl der Bedrohung beschlich sie, und sie ballte die Hände an ihren Seiten zu Fäusten. Sie musste sicherstellen, dass keiner hier noch einmal versuchte, Hethe zu beseitigen. Würden sie es ein weiteres Mal wagen? Wer wütend genug war, um zu töten, würde darüber Schweigen bewahren. Und falls irgendjemand unter ihren Untergebenen von einer Verschwörung wusste, behielt er es für sich - wofür sie wohl niemandem einen Vorwurf machen konnte. Ehe sie erfahren hatte, dass nicht Hethe für die grausame Herrschaft auf Holden Castle und den dazugehörigen Besitzungen verantwortlich war, hätte sie den Mörder ja selbst gedeckt. Die Einsicht ließ sie innehalten.
    „Aber natürlich“, flüsterte sie. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie musste den Schuldigen gar nicht aufspüren, sondern lediglich in Umlauf bringen, dass Hethe nicht derjenige war, der hinter den Gräueltaten und den Verstümmelungen steckte. Wer immer ihn angegriffen hatte, würde einsehen, einen Fehler begangen zu haben, und ihn künftig nicht mehr behelligen.
    „Nun, mein Kind?“, hakte ihre Tante nach.
    „Ich werde aufhören, ihm den Schlaftrunk einzuflößen“, beschied Helen und beantwortete damit die Frage, die Tante Nell ihr bereits oben gestellt hatte. „Er hat sich lange genug erholt.“
    Nur zögernd öffnete Hethe die Augen, was dem Schmerz geschuldet war, der ihm durch den Schädel pochte. Eine Folge des Sturzes am Vortag, ging ihm auf, und er verzog das Gesicht. Er sollte dankbar dafür sein, dass er mit Kopfschmerzen davongekommen war. Ebenso gut könnte er jetzt tot sein, denn er war böse gestürzt. Ein Engel musste seinen Fall gedämpft haben, als er jene Stufen hinabgepoltert war.
    Viel Dankbarkeit brachte er allerdings nicht auf. Oh, gewiss würde er in einem oder zwei Tagen froh sein zu leben, doch im Augenblick ließ sein pochender Schädel den Tod wie eine Erlösung erscheinen.
    „Du bist wirklich auf den Hund gekommen“, sagte er sich grimmig und schloss die Augen. Vom Fußende des Bettes her vernahm er ein leises Winseln, ehe ihm auch schon etwas Warmes, Feuchtes übers Gesicht fuhr. Prompt schlug er die Augen wieder auf und sah sich Goliath und dessen Schlabberzunge gegenüber.
    „Großer Gott“, stöhnte er und schob das Tier, dessen Atem nicht gerade nach Rosen roch, von sich. Er drehte sich zu Helens Bettseite um und wollte sich beschweren, doch seine Gemahlin war nicht da. Stirnrunzelnd setzte er sich auf und stöhnte abermals, weil es offenbar keine Stelle an ihm gab, die nicht steif war. Allmächtiger, ihm war, als sei er unter die Hufe eines Pferdes geraten. Unmutig blickte er an sich hinab und verzog das Gesicht, als er entdeckte, dass er über und über mit schillernd bunten Blutergüssen bedeckt war. Das erklärte, weshalb ihm alles wehtat. Kopfschüttelnd glitt er vom Bett und kam schwankend auf die Füße. Er fühlte sich so schwach wie ein Säugling. Verdammt. Langsam machte er einen Schritt vorwärts und musste Goliath beiseiteschieben, der ihm den Weg versperrte.
    „Was tust du überhaupt hier?“, fragte er gereizt, als der Hund ihm sogleich erneut in den Weg trat, als wolle er ihn zurück ins Bett drängen. „Ich dachte, du bist der Schatten deiner Herrin, hm?“
    Goliath winselte, ehe er zur Tür und zurück zu ihm trottete.
    „Hat dich also auch im Stich gelassen, was?“, meinte Hethe trocken und schritt zum Nachttopf, um sich zu erleichtern. „Ich lasse dich gleich hinaus, muss mich nur eben ..." Bei allen Heiligen, dachte er, ich rede mit einem verflixten Köter.
    „Muss mir den Schädel heftiger angeschlagen

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