Im Banne des stuermischen Eroberers
haben, als mir bewusst war“, murmelte er, während er vom Nachttopf Gebrauch machte und sich eilig dann anzog.
Geduldig wartete Goliath an der Tür, und Hethe gesellte sich auf wackeligen Beinen zu ihm, nachdem er fertig war. Er hätte erwartet, dass der Hund sogleich durch die geöffnete Tür hasten werde, um seine Herrin zu suchen, aber dem war nicht so. Stattdessen hielt er sich an Hethes Seite, lief neben ihm her den Gang entlang zur Treppe und begleitete ihn nach unten. Hethe kam nicht umhin, so etwas wie Zuneigung für das Tier zu empfinden.
Als er die Große Halle erreicht hatte, begab er sich zur hohen Tafel. Auf halbem Weg blieb er stehen, weil er sah, dass zwar die Tante dort weilte, nicht jedoch seine Gemahlin.
„Wo ist sie?“, rief er Lady Shambleau zu. Goliath strebte auf einen der Seitentische zu, und Hethe folgte ihm nach kurzem Zögern. Der Hund führte ihn schnurstracks zu einem der Tische für das Gesinde, wo Helen saß und sich unterhielt. Sie war so sehr ins Gespräch mit einer jungen Frau vertieft, dass sie Goliath kaum bemerkte, sondern ihm nur geistesabwesend den Kopf tätschelte.
Neugierig trat Hethe näher, um zu lauschen.
„Oh, aber ja doch, und ob es stimmt. Er hat diesem Stephen ganz und gar nichts von all dem befohlen. Während wir auf Holden weilten, wollte er Stephen zur Rede stellen, doch der ist getürmt. Das allein spricht in meinen Augen Bände, was Stephens Schuld angeht. Findest du nicht?“ Ehe die Frau etwas erwidern konnte, fuhr Helen schon fort: „Oh! Und er war bemüht, den Schaden, den sein Kastellan angerichtet hat, zumindest teilweise wieder gutzumachen. Er hat so viele der älteren Frauen auf die Burg zurückgeholt, wie er nur konnte, und er will einigen der ungerechtfertigt Verstümmelten regelmäßig eine Summe auszahlen, damit sie ..."
„Frau!“, fiel Hethe ihr ins Wort.
Helen erstarrte, ehe sie auf der Bank herumfuhr und ihren Mann aus großen Augen ansah. „Gemahl! Ihr seid wach. Wie fühlt Ihr Euch?“
Abrupt erhob sie sich, eilte zu ihm und begutachtete besorgt seine Stirn. Er nutzte die Gelegenheit, um sie beim Arm zu packen und zum Kamin zu ziehen, wo niemand sie hören konnte. Beim Feuer blieb er stehen und wandte sich ihr zu, ohne sie loszulassen. Goliath, der ihnen fröhlich nachgesprungen war, ließ sich zu ihren Füßen nieder.
„Was tut Ihr da?“
„Ich stehe hier und rede mit Euch“, entgegnete sie spitz.
Aus schmalen Augen musterte er sie. „Was sollte dieses Geschwafel gerade? Wer ist dieses Mädchen da überhaupt?“
„Oh, das ist Gert“, erwiderte sie hastig. „Und ich habe nur ... geplaudert“, endete sie lahm.
„Ihr habt meine persönlichen Angelegenheiten weitergetratscht“, stellte er richtig. „Und ich wüsste gern, warum.“ Verlegen kaute Helen auf ihrer Unterlippe und zauderte. „Gert stammt von Holden“, gab sie widerwillig preis.
„Ach?“ Sein Magen krampfte sich zusammen. „Und?“
„Sie ist dort in Schwierigkeiten geraten.“
Hethe schaute zu der Frau hinüber und betrachtete sie eingehender. „Ihr scheinen keine Gliedmaßen zu fehlen“, stellte er erleichtert fest.
„Aye, so scheint es.“ Auch Helen sah flüchtig zu Gert und lächelte, als sie deren Blick einfing. „Nun“, sagte sie an Hethe gewandt. „Ihr könnt ihre Ohren nicht sehen, weil sie ihr Haar so trägt, dass man nichts erkennt.“
„Dass man was nicht erkennt?“, fragte er wachsam.
„Nun ja.“ Seine Gemahlin klang zerknirscht, als bereite es ihr wenig Freude, eine weitere tragische Geschichte aufzutischen. „Sie hat sich auf Holden als Wäscherin verdingt.“
„Und?“, hakte er nach, wohl wissend, dass er die Antwort nicht hören wollte.
„Der Liebste einer anderen Wäscherin hat Gert zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Betrogene war eifersüchtig und hat Gert beschuldigt, Laken gestohlen und im Dorf verkauft zu haben. Stephen hat jemanden geschickt, ihre Kate zu durchsuchen, und dabei sind Beweise gefunden worden. Gert allerdings schwört, nichts entwendet zu haben. Sie verdächtigt die andere Frau, alles arrangiert zu haben, ehe sie Anschuldigungen erhob.“
„Und?“, fragte Hethe finster. „Wie wurde sie bestraft? Hat Stephen ihr die Ohren abgeschnitten?“
„Nay. Nun, nicht direkt jedenfalls“, entgegnete Helen ernst und schaute ihn beklommen an. „Sie hat sich geweigert, ihre Schuld einzugestehen, also hat man sie an den Pranger gestellt, tagelang. Dann hat Stephen behauptet, Ihr habet befohlen, die
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