Im Banne des stuermischen Eroberers
beaufsichtigt sie meine Kammerfrauen. Sie ist noch immer scharfsinnig und tüchtig - ein wertvoller Mensch. Dennoch habt Ihr sie fortgeworfen, als sei sie ...“
„Hinaus!“
Helen zuckte bei diesem Wort zusammen. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass der grimmige Befehl nicht ihr, sondern Mary galt. Sie spürte die junge Frau zögern, weshalb sie ihr über die Schulter hinweg zunickte. „Geh nur. Schon gut.“
Mary zögerte, unwillig zu gehen. „Aber die Salbe ... Ihr müsst nach dem Bad von oben bis unten damit eingerieben werden.“ „Ich werde mich um meine Frau kümmern. Lass uns allein“, sagte Lord Holden etwas ruhiger. Mary nickte und reichte ihm den feuchten Lappen, mit dem sie Helen den Rücken gewaschen hatte. Danach schlüpfte sie leise aus der Kammer.
Wachsam betrachtete Helen ihren Gemahl, ehe sie den Blick aufs Wasser richtete. Sie zog die Schultern hoch und neigte sich vor, um ihre Blöße zu verbergen. Nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, war es albern, so schüchtern zu sein, aber etwas war nun anders zwischen ihnen. Einen Moment lang war es still, dann hörte sie, wie ihr Gemahl sich neben den Bottich kniete. Er tauchte das Tuch ins Wasser und fuhr ihr damit über den Rücken. Weder Helen noch er sprachen. Ein-, zweimal strich er ihr über den Rücken, und beim dritten Mal ergriff er das Wort.
„Neulich habe ich im Wirtshaus von Tiernay gespeist.“
Helen nickte und wartete schweigend darauf, dass er fortfuhr. Zweimal mehr ließ er ihr den Lappen über den Rücken gleiten, ehe er weitersprach.
„Noch nie hatte ich das Vergnügen, scheußlicheres Essen und Bier zu kosten - außerhalb der Mauern von Tiernay Castle, heißt das.“
Sie biss sich auf die Unterlippe, stellte aber verblüfft fest, dass da ein Funken Humor in seinem Tonfall lag. Hatte er ihr den furchtbaren Fraß etwa vergeben, den sie ihm vorgesetzt hatte, um ihn dazu zu bringen, sich der Ehe zu verweigern?
„Zufällig habe ich der Wirtin nachgeschaut, die mir die Speisen vorgesetzt hat - und die übrigens hochschwanger war. Sie ist zurück in die Küche gegangen, und als sie die Tür aufstieß, habe ich dahinter die alte Frau erspäht, die mir an meinem ersten Tag auf Tiernay beim Baden zur Hand gegangen ist.“
„Maggie“, murmelte Helen. Unter den sanft massierenden Bewegungen begann sie sich zu entspannen.
„Aye. Nun, ich bin in die Küche gestürmt, entrüstet und verärgert über die Bewirtung. Die alte Frau hat mich regelrecht angefahren und ihre Tochter damit zu Tode geängstigt. Ich glaube, vor lauter Schreck hätte sie das Kind beinahe dort in der Küche bekommen“, meinte er spöttisch und seufzte. „Diese Maggie hat mir alles Mögliche vorgeworfen. Dass ich sie vertrieben und ihr alles geraubt hätte, nur um es zu verbrennen.“ Er stockte kurz, und Helen spürte sein Kopfschütteln mehr, als dass sie es sah. „Ich hatte keine Ahnung, wovon zum Teufel sie da redet. Aber bevor ich die Angelegenheit klären konnte, kam William herein, um zu schauen, was los war. Vor ihm wollte ich die Alte nicht befragen ... aus vielerlei Gründen nicht. Zum einen gerät William leicht in Rage, zum anderen wollte ich nicht, dass er oder irgendjemand anders Wind von unserem stillen Krieg bekam. Das war eine Sache zwischen Euch und mir - so zumindest habe ich es gesehen. Wäre ich mit der alten Frau aneinandergeraten, wäre zu viel von dem, was zwischen uns beiden vor sich gegangen ist, ans Licht gekommen.“ Nun endlich rührte Helen sich und schaute auf. Er hatte sich das Tuch vom Gesicht genommen, denn er brauchte es nicht länger. Was immer Mary ins Badewasser gegeben hatte, hatte den Geruch des Stinkkrauts besiegt. In der Miene ihres Gemahls erkannte sie nichts als Aufrichtigkeit, was sie kurz aus der Fassung brachte. „Wollt Ihr damit sagen, dass Ihr Maggie gar nicht aus Euren Diensten entlassen habt?“
Er sah ihr geradewegs in die Augen und schüttelte ernst den Kopf. „So sehr es mich beschämt, dies zuzugeben, aber ich wusste nicht einmal, dass sie meine Kammerfrauen beaufsichtigt hat.“
Als sie ihn nur anstarrte, machte er sich seufzend wieder daran, ihr den Rücken zu waschen. Sie fühlte den kühlenden nassen Lappen über ihre Haut streichen.
„In den vergangenen zehn Jahren war ich nicht oft hier auf Holden. Ich bin umhergezogen und habe im Namen des Königs eine Schlacht nach der anderen geschlagen. Zwei Jahre lang war ich in Wales, danach in der Normandie und in Aquitanien.
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