Im Banne des stuermischen Eroberers
Anschließend habe ich zwei Jahre in Irland verbracht..."
„Ihr wart überall, nur nicht auf Holden“, fasste Helen zusammen. Ihre Zweifel schwanden. Natürlich hatte sie gewusst, dass er viel unterwegs war, aber nicht, wie oft tatsächlich. Wenn sie nun darüber nachsann, war es immer Lord Holdens Kastellan Stephen gewesen, über den sich die geflohenen Bediensteten bei ihr beschwert hatten. Stets hatte er die Untaten begangen.
Als sie an Sir Stephen dachte, der so freundlich zu ihr gewesen war, schüttelte sie den Kopf. Es schien undenkbar, dass er aus eigenem Antrieb heraus gehandelt haben sollte. Stephen mit dem sommersprossigen Gesicht unter dem karottenroten Haar, mit dem offenen Lächeln und dem warmherzigen Blick. Und als Helen angekommen war, hatte er sich solche Mühe gegeben zu verbergen, wie sehr ihn ihre Ausdünstungen abstießen. Dabei war ihr der Gestank doch selbst zuwider gewesen.
„Und was ist geschehen, nachdem Maggies Mann gestorben war?“, bohrte Helen nach, entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. „Als sie nicht länger in der Lage war, die Ernte einzubringen, habt Ihr sie da nicht von ihrem Land verjagt und den Hof niedergebrannt?“
Ihr Gemahl hob die Hand mit dem Lappen und legte sich die andere aufs Herz. „Ich schwöre Euch hier und jetzt, dass ich einen solchen Befehl niemals erteilt habe. Auch habe ich nie verfügt, dass nur junge, hübsche Mägde auf der Burg arbeiten dürfen und dass Maggie gehen muss - oder Marys Mutter. Und ich habe nie angewiesen, Maggie nach dem Tod ihres Mannes zu vertreiben.“ Er ließ die Hände ebenso sinken wie die Augenbrauen, die er hochgezogen hatte. „Ein hübsches Gesicht ist zwar nett, an sich aber nutzlos. Für mich zählen Talent und Tüchtigkeit weit mehr.“
Eindringlich sah er sie an. „Ich werde die Sache wieder gutmachen, Gemahlin. Mary ist bewandert auf ihrem Gebiet, aber ihre Mutter sollte ebenfalls hier sein. Aus Marys Worten lässt sich schließen, dass sie noch lernt. Sie sollten beide hier tätig werden - die Mutter, um zu heilen und Mary alles beizubringen, und Mary, um zu helfen und zu lernen. Das ist nur vernünftig. Ich habe keine Schlacht dadurch gewonnen, dass ich nur starke, ansehnliche Männer um mich schare. Meine Veteranen sind weniger draufgängerisch, aber dadurch oftmals wertvoller. Nicht durch Muskeln gewinnt man einen Kampf, sondern durch Fertigkeit.“
„Aye“, murmelte Helen. Sie glaubte ihm. „Aber wenn nicht Ihr Stephen diese Befehle gegeben habt... “ Sie ließ den Satz ins Leere laufen, weil sie Lord Holdens Kastellan nicht der Niedertracht bezichtigen wollte. „Wie lange ist dieser Stephen schon in Eurer Abwesenheit für alles verantwortlich?“
Er stutzte, ehe er offenbar im Stillen nachrechnete. „Seit etwa fünf Jahren. Aye.“ Dann nickte er. „Ich habe ihm den Posten kurz nach dem Tod Eures Vaters gegeben, denke ich. Und der liegt fünf Jahre zurück, nicht wahr?“
„Das stimmt“, erwiderte Helen versonnen. „Und etwa zu diesem Zeitpunkt begann ich auch von den unschönen Vorfällen auf Holden zu hören.“
Ihr Gemahl verzog den Mund. „Und kurz darauf habt Ihr angefangen, mir mit bitterbösen Briefen zuzusetzen.“ Eine Weile fuhr er ihr schweigend mit dem Lappen über den Rücken. „Wir sollten Euch auch das Haar waschen“, sagte er.
„Oh, ich ...“, setzte sie unsicher an, nur um gleich darauf erschrocken aufzukeuchen, weil er ihr prompt einen Eimer Wasser über den Kopf goss.
„Legt den Kopf in den Nacken“, forderte er sie auf.
Nach kurzem Zögern verschränkte sie die Arme vor der Brust und neigte den Kopf zurück. Reglos ließ sie sich von ihrem Gemahl das Haar waschen. Er massierte ihr sanft die Kopfhaut, und Helen spürte, wie sie sich allmählich entspannte. Sie schloss die Augen und gab sich ihren Gedanken hin.
„Von welch anderen Problemen auf Holden habt Ihr noch gehört?“, wollte er wissen. „Was sind das für unschöne Vorfälle, die Euch zu Ohren gekommen sind?“
Helen schlug die Augen auf und seufzte unwillkürlich. Im Moment mochte sie an derlei Dinge nicht denken - seine Hände fühlten sich so gut an. Aber vermutlich würde sie nicht um dieses Thema herumkommen. Ihr Gemahl machte sich daran, ihr das Haar auszuspülen. Abermals schloss sie die Augen und überdachte die Angelegenheit. Im Laufe der Jahre war es zu vielen unschönen Begebenheiten gekommen.
„Tja.“ Sie öffnete die Augen wieder und starrte zur Decke hinauf. „Da war zum einen
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