Im Bannkreis Des Mondes
herausschreien können.
Niall seufzte hörbar. Sie blickte ihn überrascht an, doch was er dann sagte, erschütterte sie. »Ich will nicht, dass Eure Gefühle verletzt werden.«
»Hm … danke schön.«
Er lachte. Sie konnte das Lachen nicht hören, erkannte es aber daran, wie er sein Gesicht verzog und sein Adamsapfel auf und ab hüpfte. »Ihr versteht nicht, warum ich mich um Euch sorge.«
Sie schüttelte den Kopf. Sie verstand es tatsächlich nicht. Es war sogar ihrer eigenen Mutter egal, ob sie von den Leuten in den Highlands akzeptiert wurde oder nicht. Warum sollte es diesen nach zahlreichen Schlachten mit Narben gezeichneten Krieger kümmern? Sie stellte ihm die Frage laut.
»Ihr tut Talorc gut. Ihr zwei seid auf eine besondere Art miteinander verbunden – nur dass bisher keiner von euch beiden bereit ist, das zuzugeben.«
Jetzt war sie es, die lachte. »Ich glaube, Ihr seid ein hoffnungsloser Romantiker, Niall.«
Er zuckte wieder mit den Schultern.
Aber Abigail schmunzelte, weil sie wusste, dass es stimmte. »Und? Gibt es dort, wo wir hingehen, ein Mädchen, das auf Euch wartet?«
»Da gibt’s viele. Aber keine, die einen Anspruch an mich stellen kann.« Ein merkwürdiger Ausdruck huschte über sein Gesicht – eine Mischung aus Traurigkeit und Sehnsucht.
Dieser Anblick versetzte Abigails Herz einen Stich. »Aber es gibt eine, von der Ihr wünscht, sie würde es tun.«
Erneut dieses lästige beredte Schulterzucken. Aber sie sah die Wahrheit in seinen Augen. Sie hatte recht, es gab da jemanden, nach dem er sich verzehrte. Sie wünschte, sie wüsste, wie sie ihm helfen konnte. Aber sie glaubte nicht, dass er es guthieß, wenn sich eine taube Engländerin in sein Liebesleben einmischte.
»Erzählt mir von Eurer Familie«, sagte sie.
»Es gibt nur noch mich und meinen Bruder Barr. Sean ist in der Schlacht umgekommen, die mir das hier beschert hat.« Er zeigte auf seine Narbe. »Jene Schlacht nahm uns auch den Vater und unseren früheren Laird.«
»Was ist mit Eurer Mutter?«
»Sie starb bei Barrs und meiner Geburt. Zwei Babys auf einmal waren für ihre menschliche Natur zu viel.«
Das war eine merkwürdige Art, es auszudrücken. »Das tut mir leid.«
»Warum?«
»Es muss schwierig gewesen sein, ohne Mutter aufzuwachsen.«
»Allemal einfacher, als bei dieser Harpyie aufzuwachsen, die Euch das Leben geschenkt hat, würde ich meinen.«
»Sie war nicht immer so grausam. Ich …« Abigail biss sich auf die Lippen und kämpfte den Wunsch nieder, ihm die Wahrheit zu sagen. Obwohl sie inzwischen viele Jahre Erfahrung damit hatte, ihr Gebrechen zu verbergen, fiel es ihr noch immer schwer zu lügen. »Ich habe sie enttäuscht.«
»Dann ist sie eine Närrin.«
Abigail wollte glauben, dass das stimmte. »Talorcs ehemaliger Stellvertreter war Euer Bruder?«, wechselte sie das Thema. »Ist das ein Posten, der in Eurer Familie weitergegeben wird?«
»Unsere Familien stehen sich seit vielen Generationen nahe. Sean war der Älteste, weshalb er zuerst als Beta, also als Stellvertreter unseres Lairds ausgewählt wurde.«
»Und nun hat Euer Bruder Barr diese Stellung inne.«
»Er ist ein tapferer Krieger«, sagte Niall sichtlich stolz.
»Davon bin ich überzeugt. Da Talorc ihn Euch vorgezogen hat, muss er unglaublich gut sein.«
Nialls Gesicht wurde von einem rosigen Hauch überzogen. Abigail musste sich ein Lachen verkneifen. Sie wollte den Mann mit ihrem Lachen nicht beleidigen. Schließlich hatte schon ihr Lob genügt, um ihn in große Verlegenheit zu stürzen.
»Ich wollte diese Verantwortung nicht übernehmen. Wenn man Stellvertreter unseres Lairds wird, braucht man mehr als nur das Herz eines großen Kriegers; man muss auch diplomatisch sein.« Letzteres stieß er mit einer angeekelten Grimasse hervor, die keinen Zweifel daran ließ, was er davon hielt. »Ich würde zwei Streithähne lieber packen und sie mit den Köpfen aneinanderschlagen, statt zu versuchen, sie durch Gerede zu einem Kompromiss zu bewegen.«
Er schien das Wort »Kompromiss« ausgesprochen zu haben, als empfände er dabei einen faulen Geschmack im Mund.
Dieses Mal lachte Abigail und stellte zufrieden fest, dass Niall einstimmte.
Das Lachen blieb ihr allerdings im Hals stecken, als ein riesiger grauer Wolf sich ihnen in den Weg stellte. Niall zuckte zusammen, als überraschte ihn das Auftauchen des Tiers. Aber wen würde es nicht überraschen, wenn ihm ein wildes Raubtier so nahe kam?
Der Wolf kam näher. Abigail erstarrte vor
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