Im Bett mit Brad Pitt
dann meine ich das auch so. Ich habe noch nie in meinem Leben ein
derart großes Auto gesehen. Eigentlich ist es gar kein Auto, sondern ein
Lastwagen, ein Riesencabrio-Sattelschlepper mit zwei im Verhältnis zur
Gesamtgröße lächerlichen Sitzreihen, dazu hat er auch noch ein knalliges Rot
und zwei Heckflossen, die genauso gut an einem Jumbojet montiert sein könnten.
Insgesamt ist es das peinlichste Auto, in dem ich je gesessen habe,
weshalb ich sicherheitshalber noch vor dem Einsteigen eine Baseballkappe und
meine größte Sonnenbrille aufgesetzt habe, obwohl es höchst unwahrscheinlich
ist, dass wir hier Bekannte treffen, vor denen ich mich genieren müsste.
»Außerdem …«, redet Emma jetzt weiter, »… ist das ein
Klassiker, und noch dazu ein Cadillac, das ist eine Nobelmarke, vergiss das
nicht.«
»Emma, er ist vierzig Jahre alt«, gebe ich
zurück. »Ein Wunder, dass er überhaupt noch fährt.«
»Sag ich doch: Klassiker«, sagt Emma überzeugt. »Und von
hervorragender Qualität!«
»Er sieht aus wie der Wagen in Christine !«
»Wer ist das? Eine Bekannte von dir?«
»Das ist ein Horrorfilm. Da geht es um ein Auto, das genauso
aussieht wie unseres, und es frisst Menschen .«
»Kein Wunder, wenn die auch so gemeckert haben wie du«, kommt es
pampig zurück.
»Du kannst jedenfalls sagen, was du willst, aber ich fahre mit
diesem Wagen keinen Meter«, verkünde ich trotzig.
»Es zwingt dich auch keiner. Ich jedenfalls komme mit diesem Baby
bestens zurecht.«
Während sie das sagt, streift sie beinahe einen Kleinbus, und ich
schreie unwillkürlich auf: »Emma, pass doch auf!«
»Was hast du denn, da war doch noch jede Menge Platz«, behauptet sie
unverdrossen. »Wie wär’s mit ein bisschen Musik?« Sie macht Anstalten, am Radio
herumzudrehen, wodurch der Wagen sofort ins Schlingern gerät und um uns herum
wildes Gehupe einsetzt.
»Konzentrier du dich aufs Fahren!«, rufe ich. »Ich kümmere mich
schon um die Musik.« Ich drehe an dem antiken Teil herum, das aussieht wie ein
Röhrenradio aus den Fünfzigern, bis endlich Musik ertönt: Country .
»Na, das passt ja«, murmle ich.
»Yiiehaaa!« , ruft Emma begeistert aus.
Ich werfe ihr einen erstaunten Seitenblick zu. Ich wusste gar nicht,
dass sie das kann, dieses … Cowgirlgejodle .
»Sind wir noch auf Kurs?«, fragt sie dann.
Ich werfe einen Blick auf das Navigationsgerät. Mr. Thomas hat
es praktischerweise gleich für uns angeschlossen und mit unserer Hoteladresse
programmiert, und jetzt thront es auf dem Armaturenbrett unseres
Schlachtschiffs.
»Sieht so aus«, berichte ich. »Einfach immer weiter die Straße
entlang, bis es etwas anderes ansagt.«
Dann lehne ich mich zurück und genieße die Landschaft. Anfangs
mussten wir eine wenig ansehnliche Gegend durchqueren, die nur spärlich
besiedelt war, aber je weiter wir jetzt in die Stadt hineinkommen, desto mehr
Häuser tauchen auf. Mit ihren versetzten Einfahrten und den Grünstreifen vor
der Tür wirken sie seltsam vertraut auf mich, und als ich einen dieser
typischen gelben Schulbusse entdecke, wird es mir auf einmal bewusst, warum das
so ist: Ich kenne diese Umgebung, weil ich genau genommen damit aufgewachsen
bin, und weil ich sie auch heute noch beinahe täglich vor Augen habe. Die
Filme, die ich mir ständig ansehe, die spielen doch größtenteils in den USA und viele überhaupt gleich hier in Los Angeles. Kein
Wunder also, dass mir diese Gegend vertraut vorkommt, obwohl ich noch nie in
meinem Leben hier gewesen bin.
Ist das cool, oder was? Da betritt man eine Stadt zum allerersten
Mal und fühlt sich gleich wie zu Hause. Also wenn das kein gutes Omen ist. Wir
fahren weitere zehn oder fünfzehn Meilen, währenddessen ich alles fotografiere,
was mir vor die Linse kommt: Vorstadthäuser, die in diesem Teil der Stadt einen
stark mexikanischen Einschlag haben, Donutläden mit riesigen Plastikdonuts auf
ihren Dächern, junge Latinos in alten japanischen Autos, die sofort wild zu
schreien und zu gestikulieren anfangen, sobald sie uns entdecken, was ich auf
unser Riesenauto zurückführe.
Und kulinarisch gibt es alles, was man sich von Amerika erwarten
darf: McDonald’s , Burgerking , Starbucks , Jack in the Box und Yum Yum Donuts an jeder Ecke, dazu jede Menge
asiatische und mexikanische Restaurants, und Wiener Schnitzel. Wienerschnitzel? Ich muss zweimal hingucken, um es zu
glauben. Nicht zu fassen, hier gibt es tatsächlich eine Restaurantkette namens Wienerschnitzel !
Emma
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