Im Bett mit Brad Pitt
gleich etwas ganz anderes. Mein Blick streift den
Bildschirm vor mir, und meine Finger streichen unwillkürlich über das
Fernbedienungsmodul auf der Armlehne. Bei dem älteren Herrn, der in derselben
Reihe sitzt und mir kurz zunickt, sehe ich, dass diese Fauteuils auch noch über
extra bequeme Beinstützen verfügen.
»Möchten Sie etwas trinken, ein Glas Wasser vielleicht nach dem
Stress, oder Tee?«, erkundigt sich der Flugbegleiter sichtlich erleichtert
darüber, dass er die Situation doch noch so gut in den Griff bekommen hat.
»Nein, bloß kein Wasser«, gebe ich gut gelaunt zurück. »Ich denke,
jetzt wäre ein Ginger Ale mit einem klitzekleinen Schuss Bourbon angebracht.
Und vergessen Sie das Eis nicht!«
Nachdem er mir mit zusammengezogenen Augenbrauen mein Getränk
serviert hat, bringe ich meinen Stuhl in eine bequeme Liegeposition und strecke
wohlig die Beine aus.
Also, wenn das nicht entspannend ist! Ist eindeutig besser, als sich
da hinten langsam, aber sicher zu Touristenpüree zerquetschen zu lassen. Ich
nippe ein paarmal an meinem Glas, dann schließe ich die Augen und lehne meinen
Kopf zurück.
Zeit für einen Tagtraum: Mein Drehbuch ist gerade verfilmt worden –
mit Brad Pitt in der Hauptrolle und Riesenerfolg natürlich –, und weil ich
mich vor weiteren Angeboten kaum retten kann, pendle ich jetzt regelmäßig
zwischen München und Los Angeles hin und her, natürlich nur noch Business Class
oder, besser noch: erste Klasse, zahlt doch alles das Filmstudio! Jedes Mal,
wenn ich an Bord gehe, begrüßt mich der Kapitän persönlich, und sobald wir
abgehoben haben, kommt gleich der äußerst gut aussehende Kopilot, um sich ein
Autogramm …
Jäh reißt mich tumultartiger Lärm aus meinen Träumen.
Nanu, das kam von hinten. Und war das nicht Emmas Stimme? Mit einem
flauen Gefühl in der Magengegend richte ich meine Sitzlehne wieder auf und
lausche gespannt nach hinten.
Auf einmal höre ich den Flugbegleiter schreien: »Wie bitte, Sie
leiden auch an Klaustrophobie?!«
»Ja und, was kann ich denn dafür?«, schreit Emma zurück.
»Das gibt es doch nicht! Zwei Freundinnen, die zufällig
beide neuerdings an Klaustrophobie leiden?!«
Ich drehe den Kopf und sehe den Flugbegleiter, der sich gerade mit
beiden Händen an den Kopf fasst, und ihm gegenüber Emma mit drohend in die
Hüften gestemmten Fäusten, die ihn empört anfunkelt.
Mist, Mist, Mist. Sie kann doch nicht … das ist doch völlig
hirnrissig … hör sofort auf damit, Emma!
»Wieso, bitte schön, kann ich denn nicht auch Klaustrophobie haben?
Lilly und ich kennen uns schon seit der Grundschule, wir sind so etwas wie Seelenverwandte «, verlegt sie sich jetzt auch noch aufs
Argumentieren. »Und nur zu Ihrer Information: Ich habe die Tickets für uns
beide bezahlt!«
Ja genau, wenn das kein Grund ist …
Plötzlich ruckt der Kopf des Flugbegleiters zu mir herum, und ich
zucke ertappt zurück.
Keine zwei Sekunden später baut er sich drohend vor mir auf.
»Sie haben gar keine Klaustrophobie, stimmt’s?« Er fragt das so
bestimmt, als hätte er einen Lügendetektor eingesteckt, an den er mich als
Nächstes anschließen wird.
»Also, nicht wirklich akut «, murmle ich
mit eingezogenem Kopf. »Aber es ging mir vorhin wirklich nicht gut, das müssen
Sie mir glauben …«
Er antwortet gar nicht, stattdessen weist er nur mit strengem Blick
und unerbittlicher Geste Richtung Economy Class.
Schon gut, ich hab’s kapiert. Mit hochrotem Kopf und hängenden
Schultern trabe ich unter dem Gemurmel und den empörten Blicken der anderen
Passagiere zurück an meinen Platz und pferche mich wieder zwischen Emma und den
schmatzenden Schnarchsack.
»Hi, Lilly.« Emmas guter Stimmung scheint das kleine Intermezzo
keinen Abbruch getan zu haben. »Und, wie ist es da vorne in der Business
Class?«
»Glaub mir, Emma, das willst du gar nicht wissen«, antworte ich
mürrisch. Dann ziehe ich mir die Decke über den Kopf und schmolle erst mal
ausgiebig.
3
»War doch klasse, der Flug, was?«, plappert Emma fröhlich
drauflos, als wir den Flughafen von Los Angeles betreten.
Was bin ich froh, endlich aus diesem Flugzeug raus zu sein. Der
Flugbegleiter hatte natürlich nichts Besseres zu tun gehabt, als sofort den
anderen Stewardessen von meinem kleinen Betrugsversuch zu erzählen, mit der
Wirkung, dass die einzige Aufmerksamkeit, die ich von denen ab da noch bekam,
vor Verachtung strotzende Blicke waren. Ein Glück nur, dass sie Emma
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