Im Bett mit
sechs Jahren und lebte mit den Frauen abgeschlossen im Harem. Doch ich fand immer Möglichkeiten, mich hinauszuschleichen. Wer achtete schon auf ein kleines Mädchen, das sich in einem verschwiegenen Winkel irgendwo zwischen den Vorhängen versteckte? Von dort aus konnte ich den Geschichten lauschen, die der Alte so kunstvoll zu erzählen verstand, dass keiner, der sie gehört hatte, je genug davon bekommen konnte. Auch ich hätte am liebsten in die Hände geklatscht und gerufen: »Weiter, weiter! Noch mehr!« Einige Male ließ mein Vater seinen wunderbaren Erzähler sogar bei seinen Frauen auftreten. Natürlich nur unter strenger Aufsicht, denn fremde Männer waren im Frauenhaus eigentlich nicht zugelassen. Immerhin, die Damen zogen züchtig ihre Schleier vor das Gesicht, denn wenn der Erzähler auch ein alter Mann war, wäre es doch höchst unschicklich gewesen, hätten sie sich vor ihm unverhüllt gezeigt.
Für mich aber, das kleine Mädchen, hieß es wieder einmal: »Marsch, ab ins Bett mit dir!« Denn die Geschichten waren längst nicht immer für Kinder geeignet, die hätten schlimme Träume davon bekommen können. Aber natürlich fand ich auch hier Mittel und Wege, im Geheimen zu lauschen. Und all die bunten Märchen und Geschichten von mildtätigen oder bösartigen Dschinn, von schönen Prinzessinnen und grausamen Herrschern, von blutdürstigen Ungeheuern und wagemutigen Prinzen und wilden Abenteurern bevölkerten meine Träume und gruben sich mir tief ins Gedächtnis. Ich hatte bald keinen größeren Wunsch, als selbst eine Märchenerzählerin zu werden und ein neugieriges und fasziniertes Publikum um mich zu versammeln.
Das ging natürlich nicht, denn ich war ja selbst so etwas wie eine Prinzessin oder doch wenigstens eine Dame von Stand. Als ich das heiratsfähige Alter erreicht hatte, ließ mein Vater eine Kupplerin kommen, die für mich eine standesgemäße Heirat unter den Söhnen der Großen des Landes aushandeln sollte. Das war so Sitte in unserem Land. Aber ich weigerte mich, einen der jungen Männer, die für mich in Frage gekommen wären, zu nehmen. In meinem Kopf spukten vielmehr all die heldenhaften Prinzen und Abenteurer aus den Geschichten, die ich als Kind gehört hatte. Worauf mein Vater, der ein kluger Mann war und mich nicht zwingen wollte, einen zu nehmen, den ich nicht mochte, mir ein Hofamt beim König verschaffte: Ich wurde zur Aufseherin der königlichen Betten ernannt. Das war nun ein Ehrenamt besonderer Art. Ich hatte dafür zu sorgen, dass sich die privaten Räume des Königs und insbesondere sein Schlafgemach stets in tadellosem Zustand befanden. Das galt vor allem für das Bett, in dem er mit seinen zahllosen Frauen die Nächte zu verbringen geruhte.
Oh dieses Bett! Es war wahrhaftig das Prächtigste, was ich jemals gesehen hatte: Die Bettstatt, aus kunstvoll ineinander verflochtenem Zedern- und Zitronenholz, ruhte auf den silbernen Pranken eines Löwen. Der darüber gespannte Baldachin glich einer goldenen Grotte, mit Traubengehängen und Blütenranken aus glitzerndem Edelgestein geschmückt. Der Boden ringsum war mit kostbaren Seidenteppichen bedeckt; die lagen so dicht an dicht, dass man das Gefühl hatte, über samtiges Moos zu schreiten. Der Raum, durch Säulenpaare von Porphyr und weißem Marmor unterteilt, zeigte als Ganzes eine Pracht, an die ich mich heute noch mit einer gewissen Wehmut erinnere. Denn es lag ein Fluch auf der Stätte, an der der König die Stunden seiner Ruhe wie auch seiner intimen Vergnügungen genießen sollte.
Begonnen hatte alles damit, dass seine einstige Königin ihn mit einem stämmigen Sklaven betrog, während der Herrscher mit seinen Freunden sich auf der Jagd befand. Die beiden Frevler wälzten sich genüsslich in den seidenen Laken des Bettes, als der König, dem ein Spion die bösen Absichten des Paares zugetragen hatte, unerwartet das Gemach betrat. Er schlug dem Übeltäter auf der Stelle den Kopf ab, ehe er die Brust seiner angsterstarrten Gattin durchbohrte, sodass das Blut in hellen Fontänen sich über das Bett und seine seidenen Kissen ergoss. »Räumt diesen Unrat weg und sorgt dafür, dass das Bett neu errichtet wird«, befahl er der herbeigeeilten Dienerschaft. »Wahrlich, von nun an will ich jede Frau, die dieses Bett künftig mit mir teilen soll, nur eine Nacht lang besteigen und sie dann in die Wüste schicken, denn die Weiber sind allesamt nichts wert.«
Das hatte sich ihm schon vor einigen Monaten ins Gedächtnis gegraben.
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