Im Bett mit
Wege.
Betuchte Väter mit heiratsfähigen Töchtern kauften in diesen neuen Möbelhäusern ein komplettes Schlafzimmer mit dem Ehebett, das aber meist aus zwei nebeneinandergestellten oder – durch die Nachtkästchen – auch getrennten Betten bestand. Gelegentlich trat anstelle dieser Bettendualität auch das sogenannte Französische Bett, das eine gemeinsame Liegefläche hatte. Es wurde im Übrigen – trotz seines Namens – in Frankreich nicht häufiger als anderswo benützt und war dem ehelichen Zusammenhalt nicht nützlicher als die separierte Variante der ehelichen Schlafstätte. Bett und Bettzubehör wurden meist von den Bräuten mit in die Ehe gebracht. Oft gab es in dieser Hinsicht unter den Familien ein großes Feilschen. Die sogenannten Höheren Töchter verbrachten zumeist den größten Teil ihrer Zeit mit dem Nähen und Besticken ihrer Aussteuer, und nicht selten zogen sie sich dadurch – weil sie zu wenig Bewegung und frische Luft bekamen – die Krankheit des Jahrhunderts, die Lungenschwindsucht, zu. Die traf unterschiedslos Arm und Reich. Nur dass bei den Frauen, die als Arbeiterinnen in den staubigen Fabrikhallen werkten, das Schicksal noch härter zuschlug und oft ganze Familien dahinraffte. Die meisten Arbeiterfamilien kannten den Luxus des eigenen, bequemen Bettes kaum. Da weitgehend in Schicht gearbeitet wurde, besserten viele Frauen – auch solche mit Kindern – ihren kargen Lohn damit auf, dass sie tagsüber, wenn sie in den Fabriken standen, ihre Betten an Nachtarbeiter vermieteten, damit sie nicht unnötig leer standen, sondern mithalfen, ihr karges Auskommen zu verbessern, was weder der Hygiene noch den moralischen Verhältnissen gut bekam.
Das Bett als solches verlor mit der zunehmenden Industrialisierung mehr und mehr sein individuelles Aussehen; dafür wurde es bequemer. In vielen Fabriken, vor allem in Amerika, machten sich findige Erzeuger Gedanken über Verbesserungen, die sie patentieren ließen, um geschäftlich zu reüssieren. Es ist ein besonderes Kennzeichen dieser Ära, dass sich auf allen Gebieten ein Erfinderpioniergeist ausbreitete, der darauf abzielte, das menschliche Leben zu vereinfachen. Die neuen Arbeitsmethoden boten in dieser Hinsicht Möglichkeiten, an die man früher gar nicht zu denken gewagt hätte. Die Produktion aller möglichen Gebrauchsgegenstände wurde angesichts der in den Städten stark steigenden Bevölkerungszahlen immer mehr ausgeweitet und gleichzeitig rationalisiert. Um 1930 wurden schlichte Metallbetten patentiert, die zunächst nur in Kasernen, Gefängnissen und Krankenhäusern benutzt wurden. Heinrich Heines anrüchige
Matratzengruft
, das Irrenhaus, in dem er eine Zeit lang verbracht hatte, war wohl schon Jahrzehnte früher mit diesen wenig attraktiven Liegen bestückt gewesen.
Auf Thomas Manns Zauberberg der Schwindsüchtigen in Davos ging es wohl etwas vornehmer zu. Die alltägliche Bettenparade auf den Balkons und Terrassen der großen Luxushotels bot ihren Patienten zweifellos an Bequemlichkeit, was sie sich nur wünschen konnten, heilen konnten sie sie längst nicht immer. Im Übrigen wurde auch das Metallbett relativ rasch vornehm. Es mauserte sich zu einem modisch schlichten oder auch verschnörkelten Messingbett und fand sogar, als neuester Modegag, in das Schlafzimmer des preußischen Königspaares Eingang. Eine Ausnahme machte das einfache Militärbett des österreichischen Kaisers Franz Joseph. Das Bett, in dem die englische Königin Viktoria mit ihrem geliebten Gatten Albert schlief, zeigte hingegen noch eine Art von romantisierendem Pomp. Die kleine Frau mit dem großen Einfluss auf das gesamte kulturelle Leben ihrer Zeit hatte ihre Jungmädchenträume auch als Königin nie ganz vergessen. Doch in Städten wie Berlin und Wien setzte sich das nüchterne Messingbett, nicht zuletzt aus Gründen der Hygiene, immer mehr durch.
Aus dem fernen Amerika, das seit der Einführung der Dampfschifffahrt deutlich näher gerückt war, kamen viele Neuerungen, durch welche die Gegenstände des täglichen Gebrauchs den sich radikal verändernden Lebensumständen angepasst wurden. In den Städten wuchs durch den ständigen Zuzug von Industriearbeitern die Wohnungsnot. Immer mehr Menschen lebten in winzigen Räumlichkeiten, in denen für ein eigenes Schlafzimmer oder auch nur ein ständiges Bett kein Platz war. Ausweg aus dieser Misere bot die Erfindung eines Mehrzweckmöbels, das mit ein paar Handgriffen in einen Sessel oder gar einen
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