Im Bett mit
Sophie lebte, konnte er ihre Vorrangstellung in seinem Leben, sehr zum Kummer Elisabeths, nie wirklich abstreifen.
Eine Kaisergattin hatte vor allem zwei Pflichten: Sie musste für den Fortbestand der Dynastie sorgen und sie musste immer für Repräsentationszwecke zur Verfügung stehen. Im März 1855 erfüllte sie die in sie gesetzten Erwartungen weitgehend, indem sie einer Tochter, Sophie, das Leben schenkte. Die Kleine wurde von Großmama Sophie sogleich mit Beschlag belegt. Dadurch wurde das »freudige Ereignis« für Sisi zum Anlass weiterer Querelen mit der Schwiegermutter, der sie sich durch die Flucht in ihr Elternhaus entzog. Es kostete den Gatten viel Überredungskunst, sie in ihren »goldenen Käfig« zurückzulocken. Erwachsen geworden, erkannte Elisabeth, dass sie ein perfektes Druckmittel in der Hand hatte, das fast immer wirkte, wenn es darum ging, bei ihrem Gatten ihren Willen durchzusetzen: Sie entzog sich ihm, wenn er sich ihren Vorstellungen widersetzte: erst nach Possenhofen in den Schoß ihrer Familie, später durch lange Perioden von oft rätselhaften Krankheiten, in denen sie nicht nur dem kaiserlichen Bett fernblieb, sondern zugleich auch ihren Gatten und dessen gesamtes Reich in die größten Sorgen stürzte. Die Monarchie befand sich um diese Zeit schon weitgehend in Auflösung. In den gesamten Kronländern gärte es von nationalistischen Bestrebungen; die militärischen Besatzungen in den italienischen Provinzen waren verhasst, revolutionäre Umtriebe in Ungarn und Böhmen wurden mit äußerster Härte unterdrückt, knappe Kassen und ein aufgeblähter Militärapparat sorgten für Unmut in der Bevölkerung – kurz, das Reich hätte in diesen schwierigen Zeiten einen begabten Diplomaten an der Spitze des Reiches gebraucht, stattdessen aber hatte es einen biederen Beamten, der Tag um Tag pflichtbewusst vor seinen Akten saß, während seine Gedanken um sein häusliches Elend kreisten.
Zwar hatte Elisabeth wieder eine Tochter, Gisela, zur Welt gebracht und durch die Geburt des Thronfolgers, Rudolf, den Bestand der Monarchie gesichert. Doch der unerwartete Tod ihrer älteren Tochter in Ungarn stürzte sie in tiefste Verzweiflung. Alles in ihr kreiste nun um eine Art von Selbstzerstörung. Sie aß kaum noch, zwängte ihren Körper in das engste Korsett, das ihr das Atmen schwer machte, war unaufhörlich in Bewegung, kurz, sie zeigte alle Anzeichen einer Magersucht, die schließlich zu einer mysteriösen Lungenerkrankung führte. Der Rat der Ärzte: fort aus dem rauen Wiener Winter, um ihre Krankheit auf einer sonnigen Insel auszukurieren. Sie wählte Madeira, die Blumeninsel, in dem Bewusstsein, dass sie diesmal monatelang von Tisch und Bett ihres Gatten getrennt sein würde. Grund genug für ihn, sich mit ein paar unverbindlichen Affären zu trösten. Elisabeth hörte davon und fühlte sich einerseits gekränkt, andererseits wusste sie, es gab keinen Grund, an seiner dauerhaften Liebe zu zweifeln. Vielmehr empfand sie Mitleid mit ihm – vielleicht begriff sie auch, wie bitter nötig der Mann seine Gattin, das Reich seine Herrscherin gehabt hätte. Doch es war ihr unmöglich, sich eine baldige Rückkehr in ihren goldenen Käfig auch nur in Gedanken vorzustellen. Der Kaiser sandte Briefe und Geschenke, er schickte auserlesene Boten, die zwischen Madeira und Wien hin und her reisten, doch eine erlösende Botschaft brachte keiner mit.
Über Elisabeths Krankheiten ist viel gerätselt worden. Heute ist man sich sicher, dass sie durch ihre psychische Verstörtheit ausgelöst wurden. Wir kennen ein ähnliches Beispiel in unserer Zeit: die gescheiterte Ehe der britischen Kronprinzessin Lady Diana. Auch in ihrem Fall ging es um die Unfähigkeit einer empfindsamen jungen Frau, sich den strikten Anforderungen des Hoflebens anzupassen. Allerdings kam noch erschwerend dazu, dass sie sich von ihrem Gatten nicht wirklich begehrt wusste. Solche Probleme hatte Elisabeth mit ihrem in sie dauerverliebten Kaiser nicht. Auch wenn er ihr möglicherweise nicht immer in des Wortes wahrstem Sinn treu gewesen sein mag – in seinen Gefühlen war er es immer.
Durch diese Beständigkeit seiner Liebe gewann sie im weiteren Verlauf ihrer Ehe eine Macht über ihn, die sie beinahe skrupellos zu nutzen verstand. Ihre langen krankheitsbedingten Abwesenheiten, erst auf Madeira, später auf Korfu, das ihr für eine Weile zur zweiten Heimat werden sollte, und danach wiederholt bei Kuren in Bad Kissingen versetzten den Kaiser in
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