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Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
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Fenstern sein mochte, woher diese seltsame, leuchtende Farbe stammte. An einem Win ternachmittag vor drei Jahren, als ich wieder einmal auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand und hinaufblickte, traten zwei Mädchen aus den großen Doppeltüren. Sie waren sechzehn, höchstens siebzehn. Sie lachten und tuschelten miteinander, schienen die Welt ringsum vergessen zu haben, als gäbe es außer ihnen keine einzige Menschenseele in New York City. Ihre Haare waren nass und klebten an Wangen und Hals. Sie trugen lange Kleider, die an ihrer feuchten Haut hafteten. Durch die Kleider sah man die Umrisslinie ihrer Badeanzüge schimmern.«
    »Es ist ein Schwimmbad«, sagt Graham. Er lächelt.
    »Man stelle sich das vor, mitten im Winter in New York City, Schnee im Central Park, alle Leute warm angezogen mit Schals und Fäustlingen. An jenem Wochenende hatte ich gerade zugesehen, wie die Lichter am Weihnachtsbaum vor dem Rockefeller Center eingeschaltet wurden. Ich dachte an all die Leute hoch droben in dem Gebäude, die nur mit Badeanzügen, Badehosen und Bademützen bekleidet waren und barfuß um das große Schwimmbecken tappten. Ich fand den Gedanken irgendwie aufregend – die Vorstellung, dass sich im siebten Stock eines Gebäudes an der Upper West Side ein großes warmes Wasserbecken befand, in einem geschützten Raum, in dem ewig Sommer war. Ich nahm mir vor, dort schwimmen zu gehen. Wer weiß, vielleicht wünschte ich mir sogar insgeheim, mich mit den beiden Mädchen anzufreunden. Deshalb überquerte ich die Straße und sprach sie an, ein Verhalten, das mir völlig fremd war und mich auch heute noch ein wenig überrascht. ›Entschuldigung‹, sagte ich. Sie unterbrachen ihr Gespräch und sahen mich an, höflich, mit einer Spur Ungeduld. Ich erkundigte mich, ob das ein öffentliches Schwimmbad sei oder ob man Mitglied in dem Club werden könne, zu dem es gehöre. Die Mädchen kicherten. ›Es gehört dem Upper West Side Youth Club. Sie müssten, ähm, im Teenageralter sein, um aufgenommen zu werden‹, sagte die eine. Ich bedankte mich. ›Tut mir Leid‹, fügte das größere Mädchen hinzu. Ich konnte sehen, dass sie es aufrichtig meinte, dass sie mich bedauerte.«
    »Eine gute Geschichte«, sagt Graham.
    »Ich komme immer noch hin und wieder an dem Gebäude vorbei und blicke zu dem blauen Raum hinauf. Das Blau ist so tief und strahlend, dass es beinahe unwirklich erscheint. Obwohl mir der Zutritt verwehrt ist, empfinde ich das Wissen, dass es diesen gibt, irgendwie tröstlich.«
    Graham bläst die Tusche trocken. Die Vene ist breit, lässt sich nicht verfehlen, eine harte Linie, eingekerbt in den Muskelstrang seines Armes.
    »Warum hier?«, frage ich. »Warum dieses grässliche Hotel?«
    Graham blickt einen Moment zur Decke empor, dann sieht er mich an und legt den Finger an die Lippen. »Hörst du das?«
    »Was?«
    »Der Raum macht nicht viel her, doch der Fluss …«
    Ich schließe meine Augen und lausche. Weit unter uns das Rauschen des Flusses, ein fortwährendes, tröstliches, helles Geräusch. Ich habe mich dermaßen daran gewöhnt, dass ich es nicht länger bemerke.
    »Was geschieht danach?«
    Er deutet auf den versiegelten Umschlag, der auf dem Schreibtisch liegt. »Ich habe genaue Anweisungen hinterlassen, Verfügungen getroffen. Du verlässt das Hotel, sobald es vorüber ist.«
    »Du willst doch nicht etwa in diesem Raum zurückbleiben?«
    Er nimmt auf dem Bett Platz und zieht mich neben sich. »Was zählt, ist, dass ich bei dir bin.«
    »Was ist mit einem Grab? Oder zumindest einer Einäscherung? Du kannst doch nicht einfach hier bleiben.« Ich lege mich neben ihn, bette den Kopf auf seine Schulter.
    Er lacht. »Hier bleiben? Das klingt ja, als wollte ich hier einziehen.« Er küsst meine Augenlider. Die Vorderseite seines Hemdes ist feucht von meinen Tränen. Eine laue Brise weht durch das Fenster und die Glühbirne über dem Bett schwankt.
    »Ich komme mit nach Australien, du könntest ein paar Wochen darüber nachdenken und wenn du dann immer noch fest entschlossen bist, werde ich dir helfen. Wäre es nicht besser, wenn es zu Hause geschähe?«
    Er richtet sich auf, stützt sich auf den Ellenbogen und sieht mich an. »Heute Morgen, während du schliefst, habe ich Bilanz gezogen. Ich habe den Jangtse sechzehnmal befahren. Ich fühle mich hier mehr zu Hause als jemals in Perth. Das kannst du doch verstehen, oder?«
    Ich denke an meine kleine Wohnung am Park in New York City und an den Pfad rund um

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