Im Blutkreis - Roman
auf mich aufmerksam machen könnten.«
»Könnte die Sache für mich riskant sein?«, fragte sie.
»Ich denke, die Anfrage ist weniger problematisch, wenn sie von der WHO kommt. Nur ein paar Einzelpersonen sind involviert, und es besteht wenig Gefahr, dass sie über Ihre Recherchen informiert werden. Aber ich empfehle Ihnen, vorsichtig zu sein, denn sie besetzen mit Sicherheit strategische Posten. Wenn Sie einen Insiderkontakt haben, rate ich Ihnen, ihn nicht zu benutzen, es sei denn, es handelt sich um eine Person, der Sie wirklich vertrauen können. Benutzen Sie einen Vorwand, geben Sie vor, es handle sich um eine statistische Untersuchung.
Und bitten Sie auf keinen Fall nur um Informationen über Ruanda, informieren Sie sich auch über Tschetschenien, Rumänien, die Erdbeben in der Türkei. Dort waren sie ebenfalls. Dadurch werden sie nicht misstrauisch.«
»Und was werden Sie anschließend tun?«
»Ich habe einen Artikel auf der Pfanne, er ist schon fast fertig«, log Nathan. »Mit den Informationen, die Sie mir liefern werden, kann ich ihn abschließen.«
»Ich brauche noch mehr Hinweise, Falh. Ich will Ihnen gern helfen, aber ich brauche etwas, um zu verstehen. Diese Anschuldigungen sind zu ernst, ich muss sicher sein, dass Sie sich da nicht in etwas verrennen.«
»Tut mir leid, aber das ist unmöglich.«
»Ich weiß nicht … ich kann nicht …«
»Hören Sie, alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass diese Ungeheuer sich nicht auf diesen einen Fall beschränkt haben. Alles weist darauf hin, dass diese Praktiken sich ausgebreitet haben und dass in diesem Augenblick, während ich mit Ihnen spreche, unschuldige Opfer unter furchtbaren Qualen sterben. Ich bitte Sie nicht auszusagen, ich bitte Sie lediglich um ein paar Informationen.«
»Das ist eine Entscheidung, die man nicht so leichthin trifft … Geben Sie mir ein wenig Zeit, um darüber nachzudenken?«
»Nein, Doktor. Ich brauche jetzt eine Antwort. Wenn Sie ablehnen, werde ich mir etwas anderes einfallen lassen müssen. In beiden Fällen bitte ich Sie um Diskretion.«
Schweigen.
»Gut, ich werde sehen, was ich tun kann. Rufen Sie mich in vierundzwanzig Stunden wieder an.«
Nathan dankte ihr und wählte die Nummer von Woods Handy. Der Engländer meldete sich sofort.
»Hier ist Nathan.«
»Also, was gibt es Neues?«
»Es hängt alles miteinander zusammen, Ashley, meine Kindheit, die Verbrechen in Katalé, die Mission der Pole Explorer … Aber ich stecke ziemlich in der Scheiße.«
»Was ist passiert?«
Nathan erzählte ihm von seinen jüngsten Entdeckungen, vom Schock der Begegnung mit Jeanne Murneau, von den Besuchen in der psychiatrischen Klinik, dem grausigen Fund der Leiche von Casarès, der Verbindung zu One Earth …
»Das ist unglaublich! Wie lange liegt die Ermordung des Psychiaters Ihrer Meinung nach zurück?«
Die Stimme des Engländers klang unsicher, man hörte ihr die Bestürzung über die Tragweite der Enthüllungen an.
»Höchstens ein paar Stunden.«
»Haben Sie dem Personal der Klinik Ihren Namen genannt?«
»Ja, ich konnte ja nicht ahnen …«
Woods unterbrach ihn: »Sie müssen Frankreich so schnell wie möglich verlassen. Andernfalls fangen die wirklichen Probleme erst an. Ich denke, wir sollten uns unbedingt treffen, um das alles noch einmal durchzusprechen und etwas klarer zu sehen.«
»Soll ich nach Cesena kommen?«
»Nein. Das ist nicht nötig. Fahren Sie mit dem Wagen?«
»Ja.«
»Wo sind Sie?«
»In der Nähe von Perpignan.«
»Gut. Fahren Sie in aller Ruhe nach Menton und von dort weiter nach Italien. Nach der Grenze geht’s weiter über Genua nach Santa Margherita Ligure. Nicht weit davon liegt Portofino, ein ruhiges Dorf. Dort werde ich mich mit Ihnen treffen.«
»Wann?«
»Morgen früh Punkt acht Uhr dreißig am Hafen.«
44
Ligurische Küste, Italien
Samstag, 13. April
Nathan folgte einer Küstenstraße oberhalb des Meeres, dessen Oberfläche ebenso samtig wie die eines Sees war. Zerklüftete Felsspitzen, deren steile Hänge mit Vegetation bedeckt waren, ragten aus den Fluten empor. Auf der Landseite entdeckte er gelbe und veilchenfarbene Häuser mit Dächern aus ockerfarbenen Ziegeln. Nathan fuhr zu dem kleinen Hafen, der buchstäblich in den Fels hineingegraben schien, und parkte seinen Wagen in einem Gässchen ganz in der Nähe. Anschließend ging er zu Fuß zur lichterfunkelnden Küste.
Er war die ganze Nacht gefahren. Zehn Kilometer nach der Grenze hatte er auf einem
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