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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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und von schwarzen Algen gesäumt waren. Ein paar Meter vor der Küste ruderte Slawa langsamer und ließ sich zum Strand treiben; dann sprang er ins Wasser und zog das Boot auf die Kiesel. Sie vereinbarten, dass Slawa, während Nathan allein ins Dorf gehen würde, auf offener See warten würde, um nicht die Aufmerksamkeit der Patrouille der Luftüberwachung auf sich zu ziehen. Der Ausflug zu der verbotenen Insel konnte den Fischer in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Nathan nahm seinen Rucksack, in dem er ein Fernglas, seine Digitalkamera, ein Paar zusätzliche Handschuhe und zwei Rettungsraketen hatte, die Slawa ihm gegeben hatte.
    Als er losgehen wollte, hielt der Russe ihn am Arm zurück.
    »Warte!«
    Er schob die Hand unter das Dollbord seines Bootes und holte eine schwarze Pumpgun mit kurzem Kolben hervor.

    »Shotgun Toz-194. Russisches Fabrikat. Breneke-Patronen, Kaliber 12/70, speziell für Eisbären. Es gibt hier viele.«
    Er lud die Waffe mit einem kurzen, heftigen Knallen und reichte sie Nathan.
    »Du hast sieben Schüsse. Wenn du einen siehst, du läufst nicht weg, du lässt ihn auf dreißig Meter herankommen, du zielst, du schießt. Ich hole dich in zwei Stunden ab.«
     
    Ein einziger Weg ging vom Strand weg und teilte sich am Eingang zur Geisterstadt. Die eine Abzweigung führte zu den Baracken, die andere in Serpentinen zu einer alten Kirche hinauf, deren Glockenturm halb eingestürzt war. Nathan konzentrierte sich.
    Er musste rasch überlegen. Alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.
    Er war überzeugt, dass die Männer der Pole Explorer hergekommen waren, um die sorgfältig in Leichensäcken verschnürten Körper des Arztes und der beiden anderen Opfer hier loszuwerden. Aber irgendetwas stimmte nicht. Wenn der Crash des Hubschraubers auch ganz offensichtlich ein Täuschungsmanöver war, so konnte Nathan sich doch nicht erklären, warum Hydra das Risiko eingegangen war, Spuren zu hinterlassen, und warum Roubauds Männer sie nicht einfach im Meer hatten verschwinden lassen. Während er weiterging, betrachtete er aufmerksam die Landschaft auf der Suche nach einem von den Seeleuten vergessenen Hinweis, der ihn auf eine Spur bringen könnte, doch da war nichts als Eis, Gras und Felsen. Er ging weiter. Eine Querstraße, die wohl einmal die Hauptstraße gewesen war, teilte das Dorf in zwei Hälften. Auf der einen Seite drängten sich die Behausungen – kleine, verfallene Häuser, an denen man noch die Reste gelblicher und roter, von Flechten überzogener Farbe erkennen konnte –, aufgerissene Mauern, Fenster ohne Scheiben, herausgerissene Balken, das alles noch immer im Gleichgewicht, wie erstarrt durch die
Jahrhunderte. Die Menschen hatten den Ort seit langem verlassen. Nathan lief an dem Dorf vorbei und nahm den Pfad, der an der Steilküste entlangführte, um zu der verfallenen Kirche zu gelangen, die im Wind stöhnte. Während er an dem Gebäude entlangging, warf er durch eine Öffnung in der Seitenmauer einen Blick ins Innere. Schwache Lichtstrahlen fielen vom fortgerissenen Glockenturm hinein. Mit Ausnahme des Kreuzes, das noch immer über dem Altar hing, war der Innenraum der Kirche völlig verfallen. Zwischen den umgestürzten Bänken war der Boden eine Mischung aus Federn und Vogelexkrementen. Das leise Pfeifen und Flügelschlagen der Seeschwalben war von überallher zu hören. Der heilige Ort war selbst von Gott verlassen.
    Nathan marschierte weiter an der Steilküste entlang, bis er eine Anhöhe erblickte, auf der Holzkreuze emporragten, die so kümmerlich waren, dass sie in der Helligkeit des Morgens fast zu verschwinden schienen. Der Friedhof, der den weiten Strand überragte, zählte nicht mehr als dreißig Gräber. Er stieg über den niedrigen Zaun, der den Totenacker eingrenzte.
    Hacken, Spaten, verschimmelte Seile, Bottiche, die dazu dienten, die Erde der Gräber zu transportieren, lagen am Eingang herum. Die wackligen Kreuze, verblichen und vom Frost rissig, ragten aus dem Eis, das auf den Hügeln der Insel noch immer fest war. Nathan hielt sich an die schmalen Wege, auf der Suche nach Spuren, die die Männer von Hydra hinterlassen haben könnten. Van der Boijen, Smith, Kowalski, manche der Gräber trugen noch Namen, die niederländisch, englisch, polnisch klangen, aber die meisten waren anonym. Nathan untersuchte sie eingehend, keines schien neueren Datums zu sein. Die Erde war nicht aufgegraben worden, die Seeleute des Eisbrechers waren nicht bis hierher gekommen. Und doch war es

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