Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
Vom Netzwerk:
selbst reiste; aber in einer Stadt wie Saint-Malo, welche die Hälfte der Bevölkerung verlassen hatte, um ihr Glück auf den Meeren zu suchen, würden uns diese Hinweise nicht weiterführen. Nein, ich musste meinen Gedanken unbedingt eine klare Richtung geben. Das Erste, was mir auffiel, war, dass dieser Mann das Gift kaum aus opportunistischen Gründen gewählt hatte. So wie manche die Folter als Kunst ansehen, ist auch die Verschleierung des Verbrechens durch Gift eine Kunst. Und auf diese Kunst verstand sich mein Mörder auf das Vortrefflichste. Ich hatte es mit einem Virtuosen zu tun, einem überaus sachkundigen, raffinierten und originellen Mann. Ich musste mich daher in ihn hineinversetzen, handeln, wie er es tun würde, und dann die Schraube immer fester anziehen, bis die Wahrheit ans Licht kommen würde.

    22
    Es gab auf diesen neuen Seiten des Elias-Manuskripts keinen Hinweis, der Nathan erlaubt hätte, irgendeine Verbindung zu den Leichen im ewigen Eis herzustellen. Der Arzt war auf der richtigen Spur, wenn er behauptete, das Verbrechen habe nichts mit Magie zu tun. Die Expedition der Pole Explorer bewies, dass die Verstümmelungen sehr viel mysteriöser waren. Der zweite interessante Punkt war die Giftgeschichte. Der Herstellungsprozess war ein deutlicher Hinweis darauf, wie sehr es den Mördern darauf ankam, ihr Verbrechen zu verschleiern. Auch wenn Nathan noch nicht wusste, ob dieses Detail sich als wichtig erweisen könnte, notierte er es sich erst einmal und ging das Dokument dann ein zweites Mal durch, aber es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren.
    Etwas anderes beschäftigte ihn: die Tränen der jungen Frau vom Flughafen.
    Er zog seinen Parka an und lief die Treppe hinab. Er würde unterwegs mit Woods sprechen.
    Kaum jemand war in der Nacht unterwegs; er zündete sich eine Zigarette an und ging die Straße hinunter zum Boulevard Raspail.
    Rhoda … sie hieß Rhoda.
    Er hatte seine Lektüre mehrmals unterbrochen, die Augen geschlossen, um sich das Gesicht der Unbekannten in Erinnerung zu rufen, und herauszufinden versucht, ob es irgendetwas in ihm weckte. Vergeblich. Jedes Mal hatten die Gesichtszüge sich zu einer verschwommenen Erinnerung zusammengefügt, die dann aber wieder rissig geworden war und nur das schwache Bild einer Totenmaske durchscheinen ließ. Am liebsten hätte er kehrtgemacht und wäre nach Hause zurückgegangen, um sich wieder in das Manuskript zu vertiefen, aber da war diese Ahnung, die er nicht loszuwerden vermochte,
die Ahnung, dass ihre Wege sich schon einmal gekreuzt hatten.
    Er musste sie wiederfinden.
    Eine Bö trieb ihn zur Place Denfert-Rochereau. Er hatte sich während der Fahrt von Roissy in die Stadt beim Taxifahrer erkundigt: Das Sofitel befand sich im Quartier de la Glacière, nur fünfzehn Gehminuten von seiner Wohnung entfernt.
    Als er auf den Boulevard Saint-Jacques kam, zog Nathan sein Handy heraus und wählte die Nummer der Malatestiana.
    Als er zurückblickte, bemerkte er zwei Männer, die mit schnellen Schritten in dieselbe Richtung wie er gingen. Der Eingang der Metrostation Saint-Jacques tauchte fünfzig Meter vor ihm auf. Ein paar Autos waren unterwegs.
    Es klingelte.
    Die beiden Typen folgten ihm noch immer zwischen den stummen Gestalten der Platanen. Der eine war ein dunkelhaariger Riese mit ausgemergeltem Gesicht, mit Rollkragenpullover, Jeans und Stiefeln. Der andere war kleiner und trug einen dunklen Mantel, aber Nathan konnte sein Gesicht nicht sehen, da es vom Schirm einer Baseballmütze verdeckt wurde. Er machte einen Bogen nach rechts, um sich ihnen zu nähern, ohne dass sie es bemerkten, aber doch nah genug, um sie zu riechen …
    Die Stimme des Engländers ertönte im Hörer.
    »Nathan?«
    Diese Typen rochen nach Tod.
    Ohne zu antworten, unterbrach Nathan die Verbindung und ging schneller. Direkt vor ihm war ein Parkplatz. In Nathans Bauch rumorte die Angst. Ein erneuter Blick nach rechts. Und da sah er, wie der Kleine sich langsam zu ihm drehte und die schwarze Öffnung eines Schalldämpfers aus dem Schatten auftauchte. Ihm blieb gerade noch Zeit, sich zwischen zwei Autos zu werfen, bevor eine Salve gedämpfter Schüsse auf seine Beine abgegeben wurde. Gegen den Boden gedrückt kroch Nathan
zwischen den Stoßdämpfern zu dem schmierigen Fahrgestell eines Sattelschleppers.
    Sie waren es. Nathan hatte einen Fehler gemacht; sie hatten vor seiner Wohnung auf ihn gewartet, und diesmal schienen sie fest entschlossen, ihn zu töten.
    Er musste weg

Weitere Kostenlose Bücher