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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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Unwohlsein … entschuldigen Sie.«
    Er dachte zuerst, die Müdigkeit sei schuld, dann schob er es auf Woods Enthüllungen … Nein. Das war nicht die Ursache. Er hatte auf ein Zeichen reagiert, auf jemanden oder etwas,
den oder das er gerade eben gesehen, gehört und den oder das sein Gehirn registriert hatte, ohne dass er es bemerkt hatte. Aber was? Er ließ seinen Blick durch die Halle wandern und musterte die Gesichter, die Koffer, die Kleidung … Er musste diese Reaktion noch einmal auslösen. Eine Farbe zog seinen Blick auf sich. Ein weißes Monogramm … auf blauem Leinen: ein Vogel mit gekrümmtem Schnabel, und in seiner Mitte ein Kind … Der Anblick von vier identischen Reisetaschen, die auf einem Wagen transportiert wurden, löste eine neue Salve von Stichen in seinem Nacken aus. Sie gehörten einer Gruppe von Männern, die zum Ausgang gingen. Von rechts kam ihnen ein Fahrer in Livree mit einem Schild in der Hand entgegen.
    Nathan ging auf sie zu.
    Bevor er sie ansprach, entzifferte er rasch die schwarzen Zeichen auf dem Schild: israelische Namen, ihre wahrscheinlich … und der eines Hotels, Sofitel Paris Rive gauche.
    Er ging noch näher heran und fragte: »Entschuldigen Sie, Messieurs, was bedeutet dieses Symbol da auf Ihrem Gepäck?«
    Ein kleiner, untersetzter Mann, der als einziger Französisch zu sprechen schien, deutete ein leichtes Lächeln an, bevor er antwortete: »Das ist das Logo von One Earth, der humanitären Organisation, der wir angehören.«
    Ein schmales, dunkles Gesicht. Fast aschblonde, üppig herabfallende Locken. Helle Augen, die ihn prüfend ansahen. Eine junge Frau, die Nathan nicht bemerkt hatte, begleitete sie.
    »Und der Vogel«, fuhr Nathan fort. »Ist das…«
    Sie blickte ihn unverwandt an.
    »Ein Ibis«, sagte der Mann.
    »Ein Ibis … Danke.«
    Nathan kreuzte ein letztes Mal den Blick der jungen Frau, bevor er sich entfernte. Ihre Augen waren tränenfeucht.
    Sein Instinkt veranlasste ihn umzukehren.
    »Mademoiselle …«

    Sie hörte ihn nicht; er ging schneller.
    »Mademoiselle«, wiederholte er und berührte ihr Handgelenk.
    »Was wollen Sie von mir?«
    Sie sprach ebenfalls perfekt Französisch.
    »Meine Frage wird Ihnen gewiss merkwürdig vorkommen, aber… haben Sie nicht das Gefühl, mich schon einmal gesehen zu haben?«
    Sie ging weiter.
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Sie machen einen… verwirrten Eindruck. Versuchen Sie, sich zu erinnern, es ist sehr wichtig.«
    Sie blieb stehen und richtete einen dunklen, verstörten Blick auf ihn.
    »Das hat nichts mit Ihnen zu tun. Und jetzt bitte ich Sie, mich in Ruhe zu lassen.«
    Der Terminal wimmelte vor Menschen. Die Gruppe war vorausgegangen, und einer der Männer drehte sich um: » Machlowka, Rhoda ? – Alles in Ordnung, Rhoda?«
    » Ken, ani magio ! – Ja, ich komme gleich!«
    Nathan hielt sie am Arm zurück.
    »Lassen Sie mich los!«
    »Ich glaube Ihnen nicht. Warum haben Sie mich auf diese Weise angeschaut?«
    »Hören Sie, ich habe Sie niemals gesehen. Es reicht, lassen Sie mich zufrieden, Sie übergeschnappter Kerl!«
    Sie befreite sich und rief den anderen etwas auf Hebräisch zu.
    Der untersetzte Mann machte kehrt und kämpfte sich gegen den Strom der Menge zu ihnen durch.
    Nathan wich erschrocken zurück.
    Aber eigentlich hatte er vor sich selbst Angst.
    Was war nur in ihn gefahren… Nathan drehte sich ein letztes Mal nach der Frau um, aber sie war verschwunden. Er warf
sich die Reisetasche über die Schulter und ging, wütend auf sich selbst, zum Taxistand.
    Er war verrückt … Ein gefährlicher Irrer.
    21
    Es war fast zweiundzwanzig Uhr, als Nathan seine Wohnung betrat. Er ließ sein Gepäck im Flur stehen und hörte seinen Anrufbeantworter ab – weder eine Nachricht noch ein Fax, auch keine Post. Auf den ersten Blick wartete niemand auf ihn. Ihm war, als habe seine Gegenwart der Wohnung ihren Stempel aufgedrückt. Zum ersten Mal seit seinem Erwachen im Krankenhaus hatte er das Gefühl, nach Hause zu kommen. Diese Empfindung beruhigte ihn, obwohl er sich noch immer über sein peinliches Verhalten am Flughafen ärgerte. Er machte sich einen Tee, ließ ihn lange ziehen und genoss den herben Geschmack des ersten Schlucks, bevor er sich auf das Parkett setzte. Er würde Woods anrufen, nachdem er seine Mail gelesen hatte.
    Seine Hände zitterten bei dem Gedanken, dass er jeden Augenblick die neuen Hinweise schwarz auf weiß würde lesen können, die das Manuskript geliefert hatte. Nathan schaltete

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