Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)
Bankanstalt allerersten Ranges ins Gewicht fällt, oder ob eine stille, verborgene Rechtsanwaltei (Advokatur) mehr oder weniger bedeutsam am Dichterleben mitwirkte oder nicht: dieses zu prüfen muß doch wohl zunächst völlig nebensächlich sein, und es werden uns derlei Dinge vorläufig merklich kühl lassen können.
Wir haben uns hier, wie uns scheint, mehr um innere als um äußere Beziehungen zu kümmern und mehr mit Merkwürdigkeiten als mit Oberflächlichkeiten zu beschäftigen. Inneres weist zwar unserer Meinung nach immer auch auf Äußeres hin, wie denn z. B. Regierungen innere so gut wie äußere Angelegenheiten zu behandeln haben und umgekehrt.
Uns genügt einstweilen die Tatsache sehr, daß wir in der angenehmen Lage sind, mit nicht wieder umzustürzender oder wegzufegender Bestimmtheit feststellen zu können, daß Gegenstandant oder Zielscheibe Handelsbeflissener war, und als solcher stets eifrig und aufrichtig bemüht gewesen ist, feinste Zeugnisse sowohl wie beste und glänzendste Empfehlungen einzuheimsen.
Nebenbei scheint er freilich schon sehr früh angefangen zu haben, auf kleine Streifen Papier Gedichte zu schreiben. Er saß bei jederlei Wetter, zu jeder Tages- und Jahreszeit in allerlei geheizten oder ungeheizten Zimmern, Gelassen und Gemächern, um sich mit mehr oder weniger Genugtuung in der denkbar äußersten Weltentlegenheit zeitweise wenigstens seinen Phantasien zu überlassen.
Zu bemerken ist hiebei, daß wir uns jeden Urteiles über den Poeten entschlossen sind zu enthalten. Wir teilen einfach hübsch mit, was uns gelungen ist in Erfahrung zu bringen. Fest steht immerhin, daß der Poet überaus eigensinnig zu verfahren beliebte.
Warum tat er das? Hm!
Wenn sich bewahrheiten sollte, was einige zweifellos nette und artige Leute behauptet haben und noch immer behaupten, nämlich, daß unser Held und jugendlicher Liebhaber zu einer Zeit, wo er als flotter, pflichteifriger Hilfsbuchhalter auf dem und dem Transportversicherungsinstitut beschäftigt war, auf Fließ- oder Löschpapier, wie man es für dicke Foliantenbücher und feierliche, tiefernsthafte Hauptbücherzu verwenden pflegt, seiner Herren Bureaukollegen beziehungsweise Herren Vorgesetzten respektable, löbliche Köpfe abzeichnete, dermaßen gleichsam hochinteressante Dresdener Bilderkabinette wie Münchener Gemäldegalerien genialisch produzierend – so mag das ja an sich gewiß ganz nett und höchst spaßhaft oder verhältnismäßig recht amüsant sein.
Für kennzeichnend können wir indessen derartige Übungen kaum halten; höchstens würden dieselben unter Umständen beweisen, daß zweifellos nebenher vortrefflicher, junger Mann hin und wieder, wie es scheint, durch seine Obliegenheiten nicht besonders stark beansprucht war, was man ja lebhaft geneigt sein könnte zu bedauern.
Mitgeteilt wurde und wird, daß einer der Herren, deren behagliche Bildnisse der Poet anfertigte, demselben bei Gelegenheit gesagt haben soll:
»Ei, ei, Sie haben Talent. Warum gehen Sie jedoch zwecks weiterer Ausbildung nicht schleunig lieber etwa nach München? Hier im Bureau sind nämlich derlei überraschende Kunstleistungen höchlich unpassend. Zeichnerische Begabung muß hier unglücklicherweise ja verkümmern, und wie Sie ahnen werden, sind Taten oder Großtaten eines zukünftigen Genies leider hier nicht recht am Platz.«
Satirische und spöttische Bemerkung, auf die laut Aussage hier Beschriebener erwidert haben soll:
»Unmöglich vermag ich zu glauben, daß ich, wie Sie meinen, geborner Maler wäre. Ungemein starke Anlagen und eine ganz gehörige Ader zum ausübenden Schriftsteller scheinen mir eher in mir zu schlummern. Für Ihren sicher aufrichtig und ehrlich empfundenen, gut gemeinten Wink, kühn nach München zu marschieren, um eine glänzende Existenzzu erobern, danke ich Ihnen herzlich; möchte mir aber immerhin zu bemerken erlauben, daß, ehe ich nach München schwämme und ginge, ich wahrscheinlich viel lieber oder wenigstens fast noch ebenso schnell und gern in den Kaukasus ruderte und spazierte, wo ich Abenteuer antreffen zu können hoffen wollte wie doch wohl sonst nirgends.«
Im Zeugnis, das ihm anläßlich seines Austrittes aus dem Hilfsbuchhalterposten ausgehändigt wurde, stehen unseres Wissens folgende beziehungsreiche wie anspielunggetränkte und gesättigte schöne Worte:
»Er hat sich als höchst brauchbar, ehrlich, fleißig, pflichttreu und talentvoll erwiesen. Auf allerdings durchaus eigenen Wunsch begibt er sich
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