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Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)

Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Walser
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sie zu ihrem gesunden Gedeihen bedurfte.
    Derart lebte er hin.
    Was aus ihm wurde, wie es ihm später ergangen sein mag, entzieht sich unserer Kenntnis. Weitere Spuren vermochten wir einstweilen nicht zu entdecken. Vielleicht wird uns das ein anderes Mal gelingen. Was noch irgendwie zu unternehmen sein kann, wird sich zeigen. Wir wollen sehen, und sobald etwas Neues ausfindig zu machen gewesen sein wird,soll es, falls nur auch dafür schon wieder genügend neues gütiges Interesse voraussetzen zu dürfen freundlich gestattet worden wäre, mit Vergnügen mitgeteilt sein.
    (1916)

Helbling
    H elbling arbeitete als fleißiger Angestellter auf einer Bank, die Bank lasse ich stehen, aber das »fleißig« muß ich ausstreichen. Schönen guten Morgen mit deinem »fleißig«! Nein, Helbling war keineswegs fleißig, vielmehr war er träge wie die Sünde. Jung und hübsch war er, nett und artig war er, alles mögliche war er, aber nur nicht fleißig war er, und punkto Pünktlichkeit stand es böse bei ihm. Spätes Aufstehen war sein Hauptfehler. Schade um ihn, er wäre sonst ein ganz brauchbarer junger guter braver Mensch gewesen. Pünktlich zur Arbeit anzutreten schien ihm ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Auch schon munter, Helbling? Besten Dank für das Wörtchen munter. Nein, Helbling war am frühen Morgen nie munter. Um acht Uhr sollte er pünktlich bei der Arbeit sein, aber er kam immer erst acht Uhr zehn, acht Uhr fünfzehn oder acht Uhr zwanzig im Bureau an. Mitunter war es auch schon halb neun Uhr, wenn Herr Helbling aufzutauchen und anzulangen geruhte. Im Bett war Helbling der glücklichste, bei der täglichen Arbeit jedoch der unglücklichste Mensch der Welt, und im späten Eintreffen war er ein Meister. Verspätungen jeglichen Umfanges brachte er spielend zustande. »Das geht so nicht weiter, ich kann es nicht dulden«, sagte Herr Hasler, der Abteilungschef, aber alles Ermahnen nützte bei dem unverbesserlichen Faulpelz nicht das geringste. »Der Schlendrian muß aufhören, das hat keine Art mehr«, sprach Herr Hasler etwa wieder, aber du liebe Zeit, die Wirkung derartiger Worte auf den Tunichtgut war gleich Null. Immer hatte Helbling irgendeine faule Ausflucht flink bei der Hand, wenn er sich verspätete. Bald war dieses, bald war jenes schuld an der Verspätung. Bald war der Schnee schuld, bald war der Hut schuld, bald war der Regen schuld, bald waren die Schuhe schuld. Unerhört sei das, meinte wieder Herr Hasler, aber das Wort machte wenig Eindruck auf den jugendlichen Sünder.
    »Bleib im Bett! Wozu schon aufstehen!« piepste ein Spatz, als Helbling eines Morgens aufstehen wollte. »Du scheinst nicht der Dümmste zu sein«, dachte der Faulenzer und blieb liegen. Auf Haslers Frage, weshalb er sich verspätet habe, gab er dreist zur Antwort: »Ein Spatz, der mir nicht der Dümmste zu sein schien, piepste mir zu, ich solle doch nicht schon aufstehen wollen. Daraufhin blieb ich liegen und es ergab sich infolgedessen eine auffallende Verspätung.«
    »Faule Ausrede«, sagte Herr Hasler.
    »Bleib im Bett, du wirst doch nicht schon aufstehen wollen«, raschelte eine Maus, als Helbling wieder einmal sozusagen auf dem Sprung war, aus den Federn herauszuspringen. »Du sprichst nicht übel«, dachte der Trägling, drehte sich herum und blieb liegen. Als Hasler ihn fragte, weshalb er so verblüffend spät anlange, antwortete er: »Eine Maus raschelte mir zu, ich solle kein törichter Mensch sein. Das Wort nahm ich mir zu Herzen, und hieraus entstand leider Gottes eine allerdings recht stattliche Verspätung, die ich tief bedaure.«
    »Faule Ausrede«, murmelte Herr Hasler.
    »Bleib im Bett, du wirst es dir doch noch eine kleine Weile unter der Wolldecke wohl sein lassen wollen«, girrte ein Täubchen, als Helbling wieder einmal frühmorgens einsah, daß es zum Aufstehen höchste Zeit sei. »Du gibst mir einen guten Rat«, dachte der bequeme Herr, ließ es sich wohl sein und blieb liegen. Auf Haslers Frage, weshalb er sich neuerdingsverspätet habe, sagte er: »Ein Täubchen ist schuld, es lachte mich aus, weil ich Miene machte, aufzustehen. Ei, ei, girrte es, und so blieb ich liegen, bis ich plötzlich zur Einsicht kam, daß eine gehörige Verspätung unvermeidlich sei.«
    »Faule Ausrede«, brummte wieder Herr Hasler. Mehr sagte er nicht, dachte sich aber dafür um so mehr.
    »Bleib im Bett! Das ist gescheiter als aufstehen. Bedenke, wie hübsch es ist, noch ein wenig auszufaulenzen. Zur Arbeit langst du jederzeit

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