Im Bus ganz hinten
Wenn ich was sagte, hörte kaum einer zu, es sei denn, ich wurde richtig laut. Gut, ich hatte selbst keinen Vertrag bei dem Label, deshalb war natürlich auch keiner verpflichtet, sich mit mir zu unterhalten. Bushido war aber trotzdem genervt von dem überheblichen Getue der Chefs und machte ihnen schließlich klar: »Der Junge bleibt an meiner Seite.« Die Typen guckten ihn erst mal doof an – aber dann nickten sie. Was blieb ihnen auch anderes übrig?
Doch nicht nur die Chefs waren gegen mich. Es gab von Anfang auch bei den Künstlern zwei Lager: Auf der einen Seite standen Sido und B- Tight, auf der anderen Seite Bushido und ich. Wir waren einfach zu verschieden. Wir hatten Hummeln im Arsch und waren auf Action aus, während die anderen lieber auf dem Sofa saßen und ihre Tütchen rauchten. Außerdem herrschte ein harter Konkurrenzkampf zwischen uns.
Jeder wollte die Nummer eins des Labels werden, Konzerte geben, in die Charts einsteigen und das meiste Geld verdienen. Bushido und ich wollten gewinnen. Deswegen arbeiteten wir hart und gingen ins Studio, sooft wir die Gelegenheit dazu bekamen. Wir schrieben Texte, wir rappten, wir machten Pläne. Bushido nahm das Ganze noch viel ernster als ich. Wie ernst, das wurde mir erst klar, als es eines Nachts an meiner Tür klopfte. Völlig verschlafen torkelte ich aus dem Bett, ich hatte nur Boxershorts an und war ziemlich neben der Spur.
»Icke bin’s«, hörte ich Bushido draußen auf dem Gang rufen und war verwundert. Schließlich kam er mich nicht oft in meinem Rattenloch besuchen.
»Was ist los?«, murmelte ich und öffnete die Tür.
»Ich muss dir was zeigen«, sagte er und grinste breit. Dann kam er in meine Wohnung, knallte seine Jacke in eine Ecke und deutete stolz auf seinen Hals. Er hatte dort jetzt ein riesengroßes B– in die Haut tätowiert. Noch war es mit einer durchsichtigen Plastikfolie bedeckt, weil es ganz frisch gestochen war.
»Krass«, sagte ich und war auf einmal hellwach.
»Das geht jetzt nie wieder ab, oder?« – »Natürlich nicht. Aber das ist jetzt mein Logo. Das steht für Bushido«, erklärte er mir. Wow, er setzte wirklich alles auf eine Karte.
»Respekt«, sagte ich.
»Ich find’s gut. Ehrlich.« Bushido freute sich, und in diesem Moment wurde mir klar, dass ich dasselbe wollte wie er: Ich wollte Rap-Star werden! »Schaffen wir das?«, fragte ich ihn. Und er grinste: »Na klar, Alter. Wir machen alle platt!«
Der Kassengrapscher!
Ab sofort war ich täglich an Bushidos Seite. Ob in Berlin oder auf Terminen außerhalb der Hauptstadt – wenn er etwas zu regeln hatte, begleitete ich ihn. Wir hatten gerade das gemeinsame Tape Carlo Cokxxx Nutten zusammen aufgenommen und wurden in ganz Deutschland dafür gefeiert. Ich kam zum ersten Mal raus aus Berlin und sah Städte wie Köln, Düsseldorf oder München. Ich fand’s cool, aber im Gegensatz zu Berlin wirkten die anderen Städte auf mich wie kleine Dörfer. In Stuttgart war ich besonders geschockt: Dort rannten die Typen noch mit diesen abgefuckten Buffalo-Schuhen rum. Wenn wir unterwegs waren, sorgte Bushido meistens dafür, dass wir etwas zu essen hatten. Ich selbst verdiente ja immer noch kaum Kohle, mir war es aber trotzdem unangenehm, meinem Kumpel so auf der Tasche zu liegen. Deshalb überlegte ich mir neue Wege zur Geldbeschaffung und wandte einen Trick an, den ich in Berlin schon ein paarmal ausprobiert hatte: das Kassengrapschen. Wie das geht? Man muss nur eine Packung Kaugummis im Supermarkt kaufen. Und wenn die Mitarbeiterin beim Bezahlen ihre Kasse öffnet, einfach reingreifen und so viele Scheine grapschen wie nur möglich. Dann weglaufen! Mir machte das nichts aus: Wenn ich nicht gerade bei Nacht über einen Friedhof laufen sollte oder man mich zurück in die Klapse sperren wollte, dann hatte ich eigentlich vor gar nichts Angst. Deshalb startete ich eine solche Grapsch-Aktion, als ich in Köln wieder einmal blank war. Ich war gerade mit meinem Kumpel Timo unterwegs, der sowieso ein absoluter Draufgänger war. Als wir an einem Supermarkt vorbeiliefen, schlug ich ihm vor, dort ein bisschen Geld rauszuholen.
»Ich bin dabei«, sagte er, ohne zu zögern. Also gingen wir rein und liefen mit einer Dose Cola zur Kasse. Ich stellte das Getränk aufs Band. Vor uns waren noch zwei Leute, Florian wippte nervös mit seinem Fuß, ich war dagegen ganz ruhig.
»Juten Tach«, sagte die Kassiererin. Sie war um die 50 und sah irgendwie crazy aus: Ihre lockigen Haare waren so
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