Im Dienst des Seelenfängers
vier von ihnen hat es erwischt.« Er blieb am vorderen Rand der Pyramide stehen und deutete mit einer dramati-
schen Geste.
»Was denn?«
»Bist du blind oder was? Ich habe nur ein Auge, und ich kann besser sehen als du?« . »Gib mir einen Hinweis.«
»Such mal nach einer Kreuzigung.«
»Oh.« Damit hatte ich keine Schwierigkeiten, das Kreuz zu entdecken, das in der Nähe von Sturmbringers Befehlsstelle errichtet worden war. »In Ordnung. Und was ist damit?« »Das ist deine Freundin. Die Forvalaka.« »Meine?«
»Unsere?« Ein freudig-bösartiger Ausdruck zog sich über sein Gesicht. »Das Ende einer langen Geschichte, Croaker. Und ein zufriedenstellendes Ende noch dazu. Wie es auch gewe- sen sein mag, ganz gleich, wer Tom-Tom getötet hat, ich habe überlebt und beide zu einem bösen Ende gelangen sehen.«
»Stimmt schon.« Links von uns sahen Raven und Darling zu, wie die Rebellen heranmar- schierten. Ihre Finger huschten umher. Sie standen zu weit weg, als daß ich viel hätte verste- hen können. Es war, als ob man eine Unterhaltung belauschte, die in einer Sprache geführt wurde, mit der man nur oberflächlich bekannt war. Geplapper. »Was ist eigentlich in letzter Zeit mit Raven los?«
»Was meinst du damit?«
»Er spricht mit niemandem mehr außer mit Darling. Hängt nicht einmal mehr beim Haupt- mann herum. Hat bei keinem Kartenspiel mitgemacht, seit wir Feder und Journey mitgebracht haben. Wird nur noch sauer, wenn man zu Darling nett sein will. Ist irgendwas passiert, wäh- rend wir unterwegs waren?«
Einauge zuckte die Achseln. »Ich war bei dir, Croaker. Weißt du noch? Mir hat keiner was gesagt. Aber da du es jetzt erwähnst, stimmt, er verhält sich schon seltsam.« Er lachte leise. »Sogar für Raven seltsam.«
Ich betrachtete die Vorbereitungen der Rebellen. Sie machten einen halbherzigen und unor- ganisierten Eindruck. Trotz des Sturmgewitters der letzten Nacht hatten sie es geschafft, die äußeren beiden Gräben aufzufüllen. Ihre Bemühungen beim innersten Graben hatten immer- hin ein halbes Dutzend Überquerungsmöglichkeiten gezeitigt. Unsere Truppen auf der zweiten und dritten Stufe sahen eher mager aus. Ich fragte nach dem Grund.
»Die Lady hat einen größeren Trupp zur ersten Stufe abbefohlen. Besonders von der Spit- ze.«
Die meisten kamen von Seelenfängers Division, wie ich jetzt erkannte. Seine Gruppe sah zusammengeschrumpft aus. »Glaubst du, daß sie beute durchbrechen werden?«
Einauge hob die Schultern. »Wenn sie weiterhin so stur bleiben, wie sie es bisher waren.
Aber sieh nur. Sie sind nicht mehr sonderlich versessen darauf. Sie haben festgestellt, daß es mit uns nicht so leicht werden wird. Wir haben sie zum Nachdenken gebracht. Allmählich erinnern sie sich an das alte Gespenst im Turm. Noch hat sie sich nicht gezeigt. Vielleicht machen sie sich allmählich Sorgen.«
Ich vermutete, daß es mehr an den Verlusten innerhalb des Kreises lag als an möglicher Verzagtheit unter den Soldaten. Die Befehlsstruktur der Rebellen mußte chaotisch sein. Wenn niemand weiß, wer eigentlich das Sagen hat, gerät jede Armee ins Wanken. Trotzdem begannen sie vier Stunden nach dem Morgengrauen, für ihre Sache zu sterben. Unsere vorderste Linie hielt sich wacker. Der Heuler und der Gesichtslose hatten Sturmbrin- ger und Knochenknirscher ersetzt und überließen Nachtkriecher die zweite Ebene. Die Kämpfe hatten etwas Schablonenhaftes angenommen. Die Horde strömte voran in die Zähne des Pfeilsturms, überquerte die Brücken, verbarg sich hinter den Schutzwehren, quoll hinter ihnen hervor, um gegen unsere erste Reihe vorzugehen. Sie kamen immer wieder, in einem nicht enden wollenden Strom. Tausende fielen, bevor sie ihre Gegner erreichten. Viele von denen, die es schafften, kämpften nur für eine kurze Zeit und zogen sich dann zurück; entweder halfen sie verwundeten Kameraden, oder sie verschwanden einfach aus der Gefah- renzone. Ihre Offiziere hatten keinerlei Gewalt über sie. Infolgedessen hielt die verstärkte Reihe länger und entschlossener aus, als ich es vermutet hatte. Trotzdem machten sich irgendwann die schiere Überzahl und die zunehmende Erschöp- fung bemerkbar. Lücken taten sich auf. Feindliche Truppen erreichten den Blockadewall. Die Unterworfenen setzten Gegenangriffe in Marsch, von denen die meisten nicht den nötigen Schwung aufbrachten, um sich durchzusetzen. Hier und dort versuchten Truppen, deren Sie- geswille weniger stark ausgeprägt war, auf die höhere Stufe
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