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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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als Latrine diente. Der Hauptmann erwischte mich in einem meiner am wenig- sten anmutigen Augenblicke. »Man braucht dich auf der untersten Ebene, Croaker. Einauge und seine Jungs.«
»Was?«
»Du bist doch Arzt, oder nicht?«
»Oh.« Dumm von mir. Ich hätte wissen sollen, daß ich mich nicht nur aufs Zusehen be- schränken konnte.
Der Rest der Kompanie stieg ebenfalls ab und wandte sich anderen Aufgaben zu. Der Abstieg war nicht weiter schwierig, obgleich auf den provisorischen Rampen schwerer Verkehr herrschte. Die Männer von der oberen Ebene und der Pyramidenspitze gaben Muniti- on an die Bogenschützen nach unten aus (die Lady mußte generationenlang Pfeile gehortet haben) und brachten Leichen und Verwundete nach oben.
    »Jetzt wäre eine gute Zeit, um uns anzugreifen«, sagte ich zu Einauge. »Einfach nur die
Rampen hochlaufen.«
»Sie haben zuviel mit den gleichen Dingen zu tun, die wir gerade machen.« Wir kamen innerhalb von zehn Fuß an Seelenfänger vorbei. Vorsichtig erhob ich eine Hand zum Gruß. Er hielt kurz inne und erwiderte dann die Geste. Ich hatte das Gefühl, daß er über- rascht war.
Wir stiegen hinab und weiter hinab in Sturmbringers Reich. Dort unten herrschte die Hölle. Nun herrscht die zwar auf jedem Schlachtfeld, aber so etwas hatte ich noch nie gesehen. Überall lagen Verwundete. Viele waren Rebellen, die unsere Männer nicht mehr abtun konnten, weil ihnen die Kraft dazu fehlte. Selbst die Truppen von oben stießen sie einfach nur beiseite, damit sie unsere Leute einsammeln konnten. Vierzig Fuß weiter sammelten Rebellen ihre Leute ein und achteten ebensowenig auf die unsrigen. »Das ist wie eine Szene aus den alten Annalen«, sagte ich zu Einauge. »Vielleicht wie die Schlacht bei Torn.«
»Torn war nicht so blutig.«
»Hrm.« Er war dort gewesen. Er ist schon lange dabei. Ich entdeckte einen Offizier und fragte ihn, wo wir uns einrichten sollten. Er meinte, daß wir bei Knochenknirscher am meisten von Nutzen sein würden. Auf dem Weg dorthin kamen wir unangenehm nahe an Sturmbringer vorbei. Einauges Amu- lett versengte mir das Handgelenk.
»Ein Freund von dir?« fragte Einauge bissig. »Was?«
»Jedenfalls hat das alte Gespenst dich so liebevoll angesehen.« Ich erschauerte. Kalkschwaden. Die gegen den Wind trieben. Das hätte Sturmbringers Werk sein können.
Knochenknirscher war ein Riese, größer noch als Wandler, acht Fuß groß und sechshundert Pfund aus stahlharten, fiesen Muskeln. Er war so stark, daß es schon grotesk war. Er hatte einen Mund wie ein Krokodil und hatte angeblich in den guten alten Zeiten seine Feinde auf- gefressen. In einigen alten Geschichten war er wegen seiner Kraft auch Knochenbrecher ge- nannt worden.
Während ich ihn noch anstarrte, sagte uns einer seiner Stellvertreter, daß wir zur äußeren rechten Flanke gehen sollten; dort waren die Kämpfe so leicht gewesen, daß dort noch kein Sanitätertrupp abgestellt worden war.
Wir fanden den zuständigen Bataillonskommandanten. »Richtet euch genau hier ein«, sagte er. »Ich lasse die Männer dann zu euch bringen.« Er machte ein verdrossenes Gesicht. Einer seiner Leute meinte: »Heute morgen war er noch ein Kompanieoffizier. Offiziere hat- ten es heute ziemlich schwer.« Wenn man bei den Offizieren schwere Verluste verzeichnet,
    führen sie an der Front, damit die Männer standhaft bleiben.
Einauge und ich begannen mit den Flickarbeiten. »Ich dachte, ihr hättet es hier leicht ge- habt.«
»Leicht ist relativ.« Er starrte uns an und machte eine Bemerkung über Leichtigkeit, da wir doch den ganzen Tag auf der Pyramide herumhängen würden. Feldscherarbeit bei Fackelschein ist richtig lustig. Wir beide behandelten gut und gern einige hundert Männer. Jedes Mal, wenn ich kurz innehielt, um mit einigen Übungen die Steifheit aus Schultern und Händen zu vertreiben, sah ich verdutzt zum Himmel auf. Ich hatte erwartet, daß die Unterworfenen heute nacht richtig loslegen würden. Knochenknirscher kam in unser provisorisches Lazarett geschlendert; er war nackt bis zur Hüfte, trug keine Maske und sah wie ein zu groß geratener Ringer aus. Er schwieg. Wir ver- suchten, nicht auf ihn zu achten. Seine kleinen Schweinsaugen beobachteten uns aus schma- len Schlitzen.
Einauge und ich arbeiteten an unterschiedlichen Enden an demselben Mann. Plötzlich hielt er inne und riß den Kopf wie ein erschrockenes Pferd in die Höhe. Sein Auge weitete sich. Er sah sich erschrocken um. »Was ist los?« fragte ich. »Ich weiß

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