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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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kicherte ebenfalls. Als Raven und ich den Witz nicht kapierten, machte er ein sehr würdevolles Gesicht und sagte: »Das hier is’ kein Umgang für uns, alter Kumpel. Im Schnee draußen is’ es wärmer.« Er half Einauge beim Aufstehen. Die beiden torkelten zur Tür hinaus. »Hoffentlich machen sie keine Dummheiten. Keine weiteren Dummheiten. Zum Beispiel angeben. Sie bringen sich damit noch um.« »Tonk«, sagte Raven. Er legte seine Karten aus. Nach seiner Reaktion hätten die beiden auch gar nicht hier gewesen sein können. Zehn oder fünfzig Spiele später kam einer der Soldaten, die wir mitgebracht hatten, herein- geplatzt. »Habt ihr Elmo gesehen?« wollte er wissen. Ich warf ihm einen Blick zu. Schnee schmolz in seinen Haaren. Er war bleich und hatte Angst. »Nein. Was ist passiert, Hagop?« »Jemand hat Otto abgestochen. Ich glaube, es war Raker. Ich habe ihn abgeschüttelt.« »Abgestochen? Ist er tot?« Ich suchte nach meiner Tasche. Otto würde mich dringender be- nötigen als Elmo.
»Nein. Er ist schlimm aufgeschlitzt. Viel Blut.« »Warum hast du ihn nicht mitgebracht?«
»Konnte ihn nich’ tragen.«
Er war ebenfalls betrunken. Der Angriff auf seinen Freund hatte ihn etwas ernüchtert, aber das hielt nicht lange vor. »Bist du sicher, daß es Raker war?« Versuchte der alte Narr etwa zurückzuschlagen?
»Sicher. Hey, Croaker. Komm schon. Er stirbt sonst noch.« »Ich komme ja schon. Ich komme ja schon.« »Warte.« Raven wühlte in seinen Sachen. »Ich komme mit.« Er wog zwei gut ausbalancierte Messer in der Hand und versuchte eine Entscheidung zu treffen. Er zuckte die Achseln und steckte sich beide in den Gürtel. »Nimm dir einen Mantel mit, Croaker. Draußen ist es kalt.« Während ich mir einen Mantel suchte, quetschte er Hagop über Ottos Aufenthaltsort aus und befahl ihm hierzubleiben, bis Elmo auftauchte. Dann: »Auf geht’s, Croaker.« Die Treppen hinunter. Auf die Straße hinaus. Ravens Gang ist trügerisch. Er scheint nie in Eile zu sein, aber man muß sich anstrengen, um Schritt zu halten. Der Schnee war nur die Hälfte der schlechten Nachrichten. Selbst in beleuchteten Straßen konnte man nur zwanzig Fuß weit sehen. Er lag schon sechs Zoll tief. Schweres nasses Zeug. Aber die Temperatur war am Sinken, und Wind kam auf. Noch ein Schneesturm? Verdammt! Hatten wir denn nicht genug davon gehabt? Wir fanden Otto einen Viertel Straßenzug von der Stelle entfernt, wo er eigentlich sein soll-
    te. Er hatte sich unter eine Treppe verkrochen. Raven entdeckte ihn sofort. Woher er wußte,
wo er nachzusehen hatte, werde ich nie erfahren. Wir trugen Otto zur nächsten Laterne. Er konnte sich nicht selbst helfen. Er war bewußtlos. Ich schnaubte. »Stockbesoffen. Die einzige Gefahr bestand im Erfrieren.« Er war blutüber- strömt, aber die Wunde war nicht schlimm. Es waren nur einige Stiche nötig. Wir schleppten ihn wieder zum Zimmer zurück. Ich machte mich ans Flicken, solange er noch nicht krakee- len konnte.
Ottos Kumpel schlief. Raven trat ihn so lange, bis er wieder wach war. »Ich will die Wahr- heit wissen«, sagte Raven. »Wie ist das passiert?« Hagop berichtete und beharrte: »Es war Raker, Mann. Es war Raker.« Das bezweifelte ich. Ebenso bezweifelte es Raven. Aber als ich mit der Näharbeit fertig war, sagte Raven: »Hol dein Schwert, Croaker.« Er hatte diesen Jägerblick. Ich wollte nicht schon wieder nach draußen, aber noch weniger wollte ich mich mit Raven streiten, wenn er in dieser Stimmung war. Ich griff nach meinem Schwertgürtel. Die Luft war kälter. Der Wind wehte stärker. Die Flocken waren kleiner und stachen länger, wenn sie auf meiner Wange landeten. Ich stapfte Raven hinterher und fragte mich, was zum Donner wir hier eigentlich machten.
Er fand den Ort, an dem Otto niedergestochen worden war. Der Neuschnee hatte die Spuren auf dem alten noch nicht ausgelöscht. Raven ging in die Hocke und fixierte die Stelle. Ich fragte mich, was er dort wohl sah. Soweit ich sehen konnte, gab es nicht genug Licht, um ir- gend etwas zu erkennen.
»Vielleicht hat er doch nicht gelogen«, sagte er schließlich. Er starrte in die Finsternis der Gasse, aus der der Angreifer gekommen war. »Woher weißt du das?«
Er verriet es mir nicht. »Komm mit.« Er ging geduckt in die Gasse hinein. Ich mag Gassen nicht. Besonders in Städten wie Rosen kann ich sie nicht leiden, wo sie jedwedes Übel beherbergen, das den Menschen bekannt ist, und noch einige dazu. Aber Ra- ven ging hinein… Raven

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