Im Dienst des Seelenfängers
überhaupt mit ihm los?«
»Das weiß ich nicht.«
»He. Das sind meine Stiefel. Was zur Hölle machst du da eigentlich? Trägst einfach meine Stiefel?«
»Nun mal sachte. Hier, trink das.«
Er trank. »Komm schon. Wieso trägst du meine Stiefel?« Ich zog die Stiefel aus und stellte sie neben dem Feuer ab, das mittlerweile ziemlich herun- tergebrannt war. Otto ließ mir keine Ruhe, während ich Kohlen nachlegte. »Wenn du nicht ruhig wirst, reißt du dir noch deine Nähte auf.« Soviel sage ich zugunsten unserer Leute. Wenn ich medizinische Ratschläge gebe, dann hö- ren sie auf mich. So sauer er auch war, er legte sich wieder hin und zwang sich zum Stillie- gen. Allerdings hörte er nicht auf, mich weiter anzuzetern. Ich zog meine nassen Sachen aus und warf mir ein Nachthemd über, das dort herumlag. Ich
weiß nicht, wem es gehörte. Es war zu kurz. Ich stellte einen Topf mit Tee auf und drehte
mich dann wieder zu Otto. »Dann wollen wir uns das mal näher ansehen.« Ich holte meine Tasche herbei.
Als ich die Wunden säuberte und Otto leise vor sich hin schimpfte, hörte ich das Geräusch. Schlurrf-bumm , schlurrf-bumm . Vor der Tür hielt es inne.
Otto spürte meine Furcht. »Was ist los?« »Das ist…« Hinter mir öffnete sich die Tür. Ich warf einen Blick über die Schulter. Meine Vermutung war richtig gewesen.
Der Hinker ging zum Tisch, ließ sich in einen Sessel fallen, musterte den Raum. Sein Blick durchbohrte mich. Ich fragte mich, ob er sich daran erinnerte, was ich ihm in Oar angetan hatte.
Wie ein Schwachsinniger sagte ich: »Ich habe gerade den Tee aufgesetzt.« Er starrte auf die nassen Stiefel und den nassen Mantel, dann auf jeden Mann im Raum. Dann wieder auf mich.
Der Hinker ist nicht groß. Wenn man ihn auf der Straße trifft und nicht weiß, um wen es sich handelt, wäre man nicht beeindruckt. Wie Seelenfänger trägt auch er nur eine Farbe, in sei- nem Fall ein schmutziges Braun. Er ging in Lumpen. Sein Gesicht war von einer abgewetzten schlaffen Ledermaske bedeckt. Zottelige Haarsträhnen, grau mit etwas Schwarz dazwischen, ragten unter seiner Kapuze und unter der Maske hervor. Er sagte kein einziges Wort. Saß bloß da und starrte. Ich wußte nicht, was ich sonst tun soll- te, also behandelte ich Otto zu Ende, dann machte ich den Tee fertig. Ich goß drei Blechbe- cher voll, gab einen Otto, setzte einen vor dem Hinker ab und nahm den dritten für mich. Was jetzt? Es gab keinen Grund, mich woanders zu beschäftigen. Ich konnte nur an diesem Tisch sitzenbleiben… Oh, Scheiße!
Der Hinker schob seine Maske beiseite. Er hob den Blechbecher… Ich konnte den Blick nicht losreißen.
Sein Gesicht war das eines Toten, einer Mumie, die nicht richtig konserviert worden war. Seine Augen waren lebhaft und bösartig, aber darunter war ein Fleischstreifen, der verfault war. Unter seiner Nase, an seinem rechten Mundwinkel, fehlte ein Quadratzoll Lippengewe- be, und man konnte das Zahnfleisch und gelbe Zähne sehen. Der Hinker nippte am Tee, sah mich an und lächelte. Ich machte mir beinahe in die Hosen.
Ich ging zum Fenster. Draußen war schon etwas Licht, und der Schneefall hatte nachgelas- sen, aber ich konnte den Stein nicht sehen. Von der Treppe hörte man Stiefeltritte. Elmo und Raven schoben sich in das Zimmer. Elmo knurrte: »Hey, Croaker, wie bist du eigentlich diesen…« Seine Worte klangen immer leiser, als er den Hinker erkannte.
Raven sah mich fragend an. Der Hinker drehte sich um. Als er mir den Rücken zukehrte,
zuckte ich die Achseln. Raven ging zur einen Seite und begann, sich die nassen Sachen aus- zuziehen.
Elmo begriff. Er ging zur anderen Seite und zog sich neben dem Feuer aus. »Verdammt, das tut gut, die hier loszuwerden. Wie geht’s dir, Otto?« »Da ist frischer Tee«, sagte ich.
Otto antwortete: »Mir tut alles weh, Elmo.« Der Hinker starrte uns der Reihe nach an, danach Einauge und Goblin, die sich immer noch nicht rührten. »Ah ja. Seelenfänger holt sich also die Besten der Schwarzen Schar.« Seine Stimme war nur ein Flüstern und füllte dennoch den gesamten Raum. »Wo ist er?« Raven ignorierte ihn. Er zog sich trockene Hosen über, setzte sich neben Otto und überprüfte mein Werk. »Schöne Stickerei, Croaker.« »Bei dieser Truppe habe ich auch ständig Gelegenheit zum Üben.« Elmo antwortete dem Hinker mit einem Achselzucken. Er leerte seine Tasse, verteilte an alle anderen Tee, füllte dann den Topf aus den Wasserkrügen wieder auf. Er trat Einauge in die Rippen,
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