Im Dienst des Seelenfängers
Goblin, Einauge und Schweiger konnte ich niemanden finden. Goblin und Einauge waren heute kaum gesprächiger als Schweiger. Was eine Menge über ihre Laune besagte. Stur latschten sie voran, den Blick auf die trockene Erde gerichtet, und vollführten nur gele- gentlich eine Geste oder brummten irgendein Wort, um unsere Friedensblase auf- rechtzuerhalten. Ich hielt Schritt. Schließlich versuchte ich das Eis mit einem »Hallo« zu bre- chen.
Goblin grunzte. Einauge musterte mich sekundenlang mit einem dämonischen Blick. Schweiger beachtete mich gar nicht.
»Der Hauptmann sagt, daß wir die Nacht durchmarschieren«, sagte ich zu ihnen. Ich mußte jemanden so unglücklich machen, wie ich mich fühlte. Goblins Blick fragte mich, warum ich solche Lügen herumerzählte. Einauge murmelte ir- gend etwas davon, den Hundesohn in eine Kröte zu verwandeln. »Der Hundesohn, den du verwandeln mußt, ist Seelenfänger«, sagte ich hämisch. Er warf mir einen weiteren teuflischen Blick zu. »Vielleicht übe ich vorher an dir, Croaker.« Einauge paßte der Nachtmarsch nicht, also bewunderte Goblin sofort den genialen Einfall des Mannes, der auf diese Idee gekommen war. Aber seine Begeisterung war so schal, daß Einauge gar nicht auf den Köder achtete. Ich nahm einen neuen Anlauf. »Ihr Jungens seht so mies aus, wie ich mich fühle.« Nichts. Nicht einmal ein Kopfdrehen. »Ganz wie ihr wollt.« Ich ließ ebenfalls die Schultern hängen, setzte einen Fuß vor den anderen, entleerte meinen Verstand. Man kam und holte mich, damit ich mich um Elmos Verwundete kümmerte. Es war ein Dutzend, und das war es auch für diesen Tag. Die Rebellen hatten von rücksichtslosen Vor- stößen die Nase voll.
Unter dem Sturm kam die Dunkelheit früh heran. Wir machten weiter wie gehabt. Wir setz- ten uns ein wenig von den Rebellen ab, warteten, bis der Sturm abflaute, errichteten ein Lager mit Feuern aus dem, was wir an Büschen zusammenklauben konnten. Nur dieses Mal war es lediglich eine kurze Rast, bis die Sterne hervorkamen. Sie starrten mit spöttischem Gezwinker auf uns herab und sagten, daß all unser Schweiß und unser Blut aus der langen Sicht der Zeit gesehen wirklich keine Bedeutung hatten. Nichts, was wir taten, würde in tausend Jahren noch jemandem im Bewußtsein stehen.
Diese Gedanken steckten uns alle an. Keiner von uns hatte noch Ideale oder Ruhmeslust üb-
rig. Wir wollten nur noch irgendwo ankommen, uns hinlegen und den Krieg vergessen.
Der Krieg wollte uns aber nicht vergessen. Sobald der Hauptmann glaubte, daß die Rebellen zu der Überzeugung gelangt waren, wir hätten unser Lager aufgeschlagen, ließ er uns den Marsch wieder aufnehmen. Diesmal gingen wir in einer löcherigen Kolonne durch die mond- beschienene Öde weiter.
Stunden verstrichen, und wir schienen nirgendwohin zu gelangen. Das Land veränderte sich nicht. Gelegentlich warf ich einen Blick über die Schulter und überprüfte den neuen Sturm, den Sturmbringer gegen die Rebellen warf und in dem Blitze flackerten und zuckten. Dieser war der heftigste, dem sie sich bisher hatten stellen müssen. Die Zährenstiege schälte sich so langsam aus den Schatten, daß sie schon seit einer Stunde aufgetaucht war, bevor ich begriff, daß es sich nicht um eine tiefhängende Wolkenbank über dem Horizont handelte. Die Sterne begannen zu verblassen, und der Osten hellte sich auf, bevor das Land anstieg.
Bei der Zährenstiege handelt es sich um eine zackige ungezähmte Bergkette, die bis auf den einen steilen Paß, von dem die Kette ihren Namen hat, nahezu unüberwindlich ist. Das Land steigt langsam an, bis es plötzlich hohe rote Sandsteinklippen und Hochplateaus erreicht, die sich hunderte von Meilen in beide Richtungen erstrecken. In der Morgensonne sahen sie wie die verwitterten Zinnen einer Riesenfestung aus. Die Kolonne schlängelte sich in einen geröllverstopften Canyon und kam zum Stehen, wäh- rend Raum für die Wagen geschaffen wurde. Ich schleppte mich eine steile Klippe hinauf und hielt nach dem Sturm Ausschau. Er bewegte sich in unsere Richtung. Würden wir vor Hardens Ankunft durchkommen? Die Blockade war aus einem frischen Erdrutsch entstanden, der nur eine Viertelmeile be- deckte. Dahinter lag die Route, die die Karawanen bereist hatten, bevor der Krieg den Handel unterbrochen hatte.
Ich wandte mich wieder dem Sturm zu. Harden kam gut voran. Ich nehme an, daß ihn der Zorn antrieb. Er würde nicht lockerlassen wollen. Wir hatten seinen Schwager getötet und die
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