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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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und stellte fest, dass auf allen Mélusine abgebildet war, und auf allen war sie nackt. Manchmal hatte sie locker ein Tuch umgelegt, um Teile des Körpers zu bedecken, dann wieder sorgte ihr langes Haar für einen Anflug von Schicklichkeit. Es gab auch Teilstudien ihres Körpers, und auf vielen Darstellungen war ihr Gesicht nur flüchtig angedeutet.
    Während Pierce die Zeichnungen betrachtete, klopfte sein Herz wegen einer beunruhigenden Mischung aus Verlangen, Zorn und unerklärlicher Eifersucht. Er verdächtigte Mélusine immer noch der Erpressung, aber bis vor wenigen Minuten hatte er ihr letztlich doch geglaubt, dass sie ihrem Ehemann treu gewesen war. Diese Bilder straften sie Lügen. Er wusste, Bertier konnte diese Bilder nicht skizziert haben. Also lief alles auf einen Liebhaber hinaus.
    Er ballte die Hände auf der Tischplatte zu Fäusten und ärgerte sich über sich selbst, weil er auf ihr hübsches Gesicht und ihre unschuldige Ausstrahlung hereingefallen war. Noch mehr allerdings widerte ihn dieser Anflug von Eifersucht an, den er empfand. Wer war der Mann, dem Mélusine gestattet hatte, sie so zu sehen, während sie jedes Mal zusammenfuhr, wenn er, Pierce, sie berührte?
    Aufgebracht starrte er ihr Abbild an. Es dauerte eine Weile, bis ihm auffiel, dass sie mehr oder weniger ebenso ungehalten zurückstarrte. Nach dem anfänglichen Schock beim Anblick der ersten Zeichnung, hatte er sich mehr für die verschiedenen Posen interessiert als für die Einzelheiten ihres Mienenspiels. Nun widmete er ihrem Gesicht auf den Darstellungen größere Aufmerksamkeit, auf denen es detailliert wiedergegeben war. Überall hatte sie den gleichen konzentrierten, bisweilen leicht stirnrunzelnden Gesichtsausdruck. Das war eindeutig nicht der Blick, mit dem eine Frau ihren Geliebten bedachte, auch waren die Posen nicht sonderlich aufreizend. Manchmal wirkten sie etwas gestellt, aber nicht auffallend erotisch.
    Die Erkenntnis kam schließlich mit einem Bild, auf dem sie zwei Farbstifte in der auf ihrem angezogenen Knie ruhenden Hand hielt. Pierce drehte sich um und entdeckte einen großen Standspiegel, der ihm am Vorabend gar nicht aufgefallen war. So einen Spiegel hätte er eher im Ankleidezimmer einer Dame erwartet, aber die Zeichnungen verrieten, dass Mélusine offensichtlich eine ganz andere Verwendung für ihn gehabt hatte.
    Das Begreifen, dass Mélusine vor diesem Spiegel gestanden oder gesessen haben musste und Aktzeichnungen von sich selbst angefertigt hatte, entlockte ihm ein ungläubiges Auflachen. Er fragte sich, welche Überwindung sie es wohl kosten würde, vor ihm nackt zu posieren. Eins stand jedenfalls fest – sollte sie das jemals tun, würde sie diesen konzentrierten, aufmerksamen Gesichtsausdruck sehr schnell verlieren.
    Er legte sämtliche Studien zurück in die Schublade und gönnte sich einen letzten Blick auf die unbekleidete Mélusine, ehe er das leere Blatt wieder oben auf den Stapel legte und das Versteck abschloss. Unbefriedigte Lust quälte ihn, und es kostete ihn große Selbstbeherrschung, mit seiner Durchsuchung des Ateliers fortzufahren. Als er damit fertig war, freute es ihn, dass er keinerlei Hinweise gefunden hatte, sie könnte die Erpresserin sein. Weniger erfreut war er über die Wirkung, die sie auf ihn ausübte. Wenn er nicht aufhörte, ständig an diese Zeichnungen zu denken und sich vorzustellen, wie sie real nackt vor ihm stehen würde, gefährdete er noch die Erreichung seines eigentlichen Ziels.
    Er zwang sich, stattdessen an seine Familie zu denken. Seine Mutter war bestimmt mit den Hochzeitsvorbereitungen für seine Schwester beschäftigt. Ob sie wohl wusste, dass auf sie alle eine Katastrophe lauerte? Auch Rosalie hatte er nie sämtliche Details seines Lebens gebeichtet. Er lernte sie zwar kennen, als er auf Guernsey war, um La Mottes Geschäfte mit den Händlern zu unterstützen, die Brandy an englische Schmuggler verkauften. Und er lebte auch in den paar Monaten ihrer Ehe mit ihr auf der Insel, aber das ganze Ausmaß seiner Verwicklung in den illegalen Handel hatte er ihr nie verraten. Damals gewann er den Eindruck, dass La Motte Justine wesentlich mehr anvertraute, aber darüber hatten sie nie wirklich gesprochen.
    La Mottes Unternehmungen waren im Laufe der Jahre zunehmend legitimer und im selben Maße ertragreicher geworden. Doch sollten die Geheimnisse aus seiner Vergangenheit in der Öffentlichkeit bekannt werden, würden sie alle in größter Gefahr schweben. Und sollte La

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