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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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durch einen lettre de cachet verhaften lassen, als Strafe für dessen riesige Spielschulden.
    Es kam ihm ziemlich unwahrscheinlich vor, dass Saint-André keine Ahnung besaß, wer für seine Verhaftung verantwortlich war. Aber war es das, was er vor Mélusine verheimlichen wollte – oder war er eher besorgt, er, Pierce, könnte ihr verraten, dass er auch ein Schmuggler war?
    Als sie wieder am Place Vendôme angekommen waren, folgte Pierce Mélusine die Treppe hinauf in der Erwartung, sie würde geradewegs ihr Atelier aufsuchen. Stattdessen betrat sie den blauen Salon.
    „Ich mag dieses Zimmer nicht“, sagte sie und sah sich um, während sie die Handschuhe abstreifte. „Ich werde wohl alle Möbel entfernen und noch einmal von vorn anfangen.“
    „Dann haben Sie aber keinen angemessenen Raum, wenn Sie Gäste empfangen wollen“, wandte Pierce vorsichtig ein.
    „Zuerst trenne ich mich von all den schlechten Erinnerungen, anschließend von den Möbeln. Ich finde, das ist eine gute Idee.“
    Es war die Idee einer Frau, die entweder völlig achtlos mit Geld umging – oder sich sicher war, dass sie es sich leisten konnte. Seit er angefangen hatte, für sie als Diener zu arbeiten, waren sie noch nicht ein einziges Mal einkaufen gegangen. Geld für Leichtsinnigkeiten auszugeben, schien nicht zu ihren Lastern zu gehören. „Eine vorausschauende Idee“, stimmte Pierce zu.
    Sie sah ihn von der Seite her an. „Und jetzt möchten Sie wissen, warum wir zur Bastille gefahren sind“, vermutete sie.
    Er nickte schweigend, während er sie vorsichtig beobachtete.
    Einen Augenblick blieb sie stumm stehen, als ordnete sie ihre Gedanken. „Sie dürfen sich setzen“, gestattete sie schließlich. Sie wartete, bis er sich einen Stuhl ausgesucht hatte, danach zog sie einen anderen ziemlich dicht in seine Nähe. Pierce wollte aufstehen, um ihr zu helfen, doch sie winkte ab. „Er ist nicht schwer. Ich möchte nur nicht laut reden müssen. Was ich Ihnen zu sagen habe, ist vertraulich.“
    Es erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung, dass sie sich ihm endlich anvertrauen wollte, gleichzeitig fürchtete er sich auch vor dem, was er womöglich zu hören bekommen würde. Seine Anspannung wuchs.
    Mélusine ließ sich Zeit damit, ihre Röcke ordentlich zu drapieren, und er wartete geduldig.
    „Hatten Sie den Eindruck, Saint-André wäre sich dessen bewusst, dass die Stimmung zwischen ihm und mir etwas, na ja, befangen war?“, fragte sie schließlich.
    „Ja, Madame.“
    „Nun, vielleicht hat er geahnt, dass ich Bescheid wusste. Es war nicht so unangenehm, mit ihm zu reden, wie ich befürchtet hatte. Trotzdem war ich froh, als der Besuch beendet war.“
    Pierce betrachtete sie, als sie die Finger spreizte und die Flächen beider Hände aneinanderlehnte. Ihr Blick schien ins Nichts zu gehen, und sie suchte offenbar nach den richtigen Worten. Er hätte gern ihre Hände in seine genommen. Auf dem Heimweg von der Gesellschaft hatte er das in der Kutsche ganz selbstverständlich getan, aber jetzt hätte eine solche Geste eine viel stärkere Bedeutung. Für ihn zumindest hätte sie eine Verpflichtung angedeutet, die er nicht eingehen konnte.
    „Saint-André war Bertiers Freund“, sagte sie plötzlich unvermittelt. „Nun, das wissen Sie bereits. Aber mir war nicht klar, wie gut sie befreundet waren, bis …“ Sie verstummte. Sie nahm die Hände auseinander und ballte sie unwillkürlich zu Fäusten. Plötzlich schien sie zu bemerken, was sie da tat, und ließ die Hände wieder offen auf ihrem Schoß ruhen. Tief durchatmend fuhr sie fort: „Vielleicht finden Sie, dass ich zu viel Aufhebens darum mache.“ Sie lachte verlegen auf. „Es war in der Nacht, bevor Bertier starb. Nicht die Nacht, die damit endete, dass man seine Leiche ins Haus brachte, sondern die davor.“
    „Ich verstehe.“ Pierce nickte.
    „Ich hörte, wie er mit Saint-André sprach. Ich habe sie nicht absichtlich belauscht, es war eher ein Zufall.“
    „Diese Unterhaltung hat Sie beunruhigt?“
    „Ja. Bertier … sie sprachen über mich. Er sagte … nun, kurz zusammengefasst, Bertier bat Saint-André, mich zu verführen, und … ich kann die Worte nicht aussprechen, die er benutzt hat, aber er wollte, dass Saint-André das so oft wiederholte, bis ich guter Hoffnung sei.“
    Pierce brauchte ein paar Sekunden, bis er verstand, was sie da gesagt hatte, bis er ihren verdrehten Satz auf die paar rohen Worte reduziert hatte, die Bertier benutzt haben musste und die sie nicht

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