Im Dienste Der Koenigin
dachte sie erneut mit Trauer im Herzen an Marie, die inzwischen gewiss überhaupt nicht mehr an eine Aufhebung ihrer Verbannung zu denken wagte.
»Wie lange wird es mir wohl in Spanien noch gutgehen als Mätresse des Königs?«, sorgte sich Marie de Chevreuse beinahe jeden Tag. Sie tat alles dafür, um sich diese Position zu erhalten, denn dann - so redete sie es sich ein - war es nicht schlimm, fern von Frankreich zu sein.
Marie war eine kluge Frau und in ihrem Innersten wusste sie, dass sie sich selbst etwas vormachte. In Wahrheit graute ihr davor, auf ewig im spanischen Exil versauern zu müssen. Sie wurde zudem nicht jünger und was geschähe mit ihr, sobald Philipp ihrer überdrüssig würde?
Wohin sollte sie gehen, falls es dem König einfiele, eines schönen Tages eine jüngere Geliebte in ihrem kleinen Palais einzuquartieren? Maries Existenz und ihr »Lebensabend« am spanischen Hof waren alles andere als gesichert. Außerdem verging sie beinahe vor Sehnsucht nach ihrer Schwester und nach Anna. Marie war sicher, dass beide Frauen sie ebenso vermissten und ihrer bedurften. Vor allem die Königin, die nun zweifache Mutter war …
Königin Anna war mittlerweile - wenn auch mit wenig Begeisterung - mit beiden Söhnen und ihrem gesamten Hofstaat erneut in den Louvre umgezogen, dessen Bauarbeiten vorerst abgeschlossen waren. Was nicht viel hieß, denn in dem alten Gemäuer waren ständig Reparaturen notwendig.
Richelieu hielt es für wichtig, dass die Hauptstädter ihren zukünftigen Monarchen öfters zu Gesicht bekamen - und die künftige Regentin Anna. Der Erste Minister rechnete nämlich fest damit, dass der ständig kranke König bald zu seinen Ahnen heimkehrte. Und für diesen Moment galt es, wenigstens einigermaßen gewappnet zu sein.
Es würde sich ohnehin eine schwierige Situation für den Kardinal ergeben: Der Dauphin ein kleines Kind, die Regentin eine Frau, der er nicht über den Weg traute, und der lauernde Thronanwärter Gaston, den er für einen Schwachsinnigen hielt und für gefährlich dazu …
KAPITEL 49
MIT DER KÖNIGIN war auch Céleste wieder in die Hauptstadt zurückgekehrt. Sie ließ es sich nicht nehmen, Ausflüge ins nächtliche Paris - an den »Hof der Wunder« - zu unternehmen. Nach wie vor war sie gut befreundet mit der bärtigen Arlette, der »alten Königin« der Bettler und Gauner.
Sooft sie nicht die Nacht bei ihrem Schützling, dem Dauphin, verbringen musste, schlief sie im Bett von Saint-Hector, den seine Untertanen den »Großen« nannten, zusammen mit der Zwergin. So sehr Céleste ihre Abstecher in die Unterwelt von Paris samt den Umarmungen des »Bettlerkönigs« auch genoss, so bedacht war sie darauf, niemandem davon zu erzählen.
Falls etwa die fromme Königin davon erführe, wären ihre
Tage im Dienste des Dauphins gezählt. Sie war sicher, dass Anna einem Frauenzimmer, das seine Bettgenossen in der Gosse suchte, niemals ihren Sohn anvertraut hätte …
Es blieb Céleste nicht verborgen, dass der Großteil vom Gefolge des Bettlerkönigs jeden Abend, bei Einbruch der Dunkelheit, das wie eine Festung ausgestattete Refugium verließ, um sich in den Straßen von Paris seine Opfer für Überfälle, Raub - und sicher auch Mord - zu suchen.
Es waren regelrechte Banden, die sich - gut bewaffnet - jede Nacht aufmachten, um ihr verbrecherisches Unwesen zu treiben. Saint-Hector war das nur recht, solange sie nicht vergaßen, den ihm zustehenden Anteil an der Beute abzuliefern. Bei Nacht geschahen die Einbrüche in die Villen der Reichen, die häufig nicht so gut bewacht wurden, wie es nötig gewesen wäre.
Nicht wenige der prunkvollen Gebäude waren bis auf ein paar Diener unbewohnt, weil ihre Besitzer in riesigen Schlössern auf dem Lande lebten und nur zu gewissen Zeiten - etwa dem Geburtstag des Königs oder in der Ballsaison - nach Paris kamen.
Im Schutze der Dunkelheit wurden missliebige Personen beseitigt, die man dann am Morgen erschlagen oder erdolcht aus der Seine fischte oder deren Leichen von der Handvoll Stadtwächter in irgendwelchen obskuren Winkeln von Paris entdeckt wurden.
Ebenfalls bei Nacht wurden quer durch die Stadt Flugblätter über den verhassten Kardinal verteilt. Selbst am Louvre klebten Pamphlete mit bösartigen Karikaturen, die den Ersten Minister Ludwigs als gehörnten Teufel mit Pferdefuß in der roten Robe darstellten und ihn des Öfteren als blutschänderischen Beischläfer seiner leiblichen Nichte, der Madame de Combalet,
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