Im Dienste Der Koenigin
wie die Hemden wechselt, sind meist heimtückische Duckmäuser oder angeberische Blender. Keiner hat mehr das Format eines de La Rochefoucauld, der mittlerweile nur noch ihr ›guter Freund‹ ist. Nur sehr reich sind sie alle …«
Céleste unterdrückte ein Seufzen; um die Schwester verlassen zu können, gab sie vor, Dienst beim kleinen König zu haben. Sie machte sich auf den Weg zu ihrem Schützling, obwohl es eigentlich ihre freie Zeit war.
Beim Gedanken an den mittlerweile Zehnjährigen - es war bereits November des Jahres 1648 - umwölkte sich ihre immer noch makellos glatte Stirn. Mochten alle am Hof sich überbieten in Lobpreisungen des »kleinen Sonnenkönigs«, Céleste spürte, dass auch Ludwig sich verändert hatte.
Aus dem unbeschwerten, offenen und naiven Kind war urplötzlich ein gedankenverlorener, verschlossener und wie unter einer schweren Last sich duckender Jugendlicher geworden. Céleste überlegte sorgenvoll, was mit ihrem Liebling nur geschehen war. Irgendetwas schien die kleine Majestät so zu bedrücken, dass er nicht einmal mit ihr, seiner »Madame Mère Céleste«, darüber sprechen wollte.
Sie nahm sich vor, bei passender Gelegenheit geschickt nachzuhaken - mit größter Subtilität natürlich.
»Er wird sich doch nicht etwa bereits verliebt haben?«, ging es ihr flüchtig durch den Kopf; aber gleich darauf verwarf sie diesen Gedanken als völlig abwegig. Ludwig war schließlich noch ein Kind …
Sowohl Kardinal Mazarin als auch die Regentin richteten ihr Augenmerk einzig und allein auf die Außenpolitik. Diese war kompliziert genug und erforderte ihren ganzen Einsatz. Da waren einmal die im Namen der Religion ausgefochtenen Kämpfe im benachbarten Deutschland gewesen.
Seit drei Jahrzehnten hatten dort blutige Gemetzel stattgefunden, die man in diesem Jahr 1648 endlich mit Friedensschlüssen in den westfälischen Städten Münster und Osnabrück beendete. Nun mussten die Regentin und ihr wichtigster Berater Mazarin darauf achten, dass Frankreich möglichst gut dabei wegkam …
Dann waren da die noch immer andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen in den spanischen Niederlanden und
im Süden Frankreichs, an der Grenze zum habsburgischen Spanien. Diese Kämpfe forderten im Jahr Hunderte von Menschenleben und trieben zig Tausende durch die finanziellen Belastungen in den Ruin.
»Die Untertanen sind es leid, ihre Söhne für einen Krieg zu opfern, dessen Sinn sie nicht zu erkennen vermögen. Das Volk sehnt sich nur noch nach Frieden - die ›Gloire‹ Frankreichs kann ihm mittlerweile gestohlen bleiben. Die ansehnlichen Gebietsgewinne, die Frankreich zu verzeichnen hat und die im Westfälischen Frieden bestätigt worden sind, interessieren die Bürger wenig, wenn ihre Kinder und sie selbst Hungers sterben«, analysierte mit Scharfsinn La Rochefoucauld die politische Stimmung im Lande. Er war wieder einmal geladener Gast bei der Herzogin de Chevreuse und ihrem Gatten Claude.
»Im Vertrauen in sein politisches Geschick unterlaufen dem Kardinal auch grobe Fehler«, stichelte Marie. »Er unterschätzt die keineswegs nur unterschwellig vorhandene, sondern im Gegenteil sehr massive Fremdenfeindlichkeit der Franzosen. Ja, er schürt diese noch weiter, indem er zusätzliche Italiener als seine Berater und Helfer ins Land holt.«
»Und er ignoriert dabei leider, dass er selbst immer noch als Giulio Mazarini bei den Massen und beim Adel höchst unbeliebt ist«, unterbrach sie der umfassend gebildete Denker. »Ihr seht das ganz richtig, Herzogin! Er mag sich zwar Jules Mazarin nennen, seine sizilianische Abstammung wird er dadurch noch lange nicht los.«
Der Hausherr, Monsieur Claude de Lorraine, liebte diese Art von Gesprächen nicht. Er empfand solche Erörterungen als Anmaßung - wenn nicht gar als Verrat am Herrscherhaus. Einen wichtigen, unaufschiebbaren Termin vortäuschend, entschuldigte sich der Herzog de Chevreuse und ließ seine Frau
und ihren ehemaligen Liebhaber allein im Salon zurück. Der Dichter, als wahrer Kavalier darauf bedacht, die charmante Hausherrin nicht zu kompromittieren, empfahl sich bald darauf ebenfalls.
Die Herzogin und ihr Gast waren sich darüber einig, dass in der jetzt herrschenden angespannten Situation der Kardinal der Regentin Anna schadete. Zu allem Unglück waren seine italienischen Berater für schwere Fehler in der französischen Innenpolitik verantwortlich - eine Tatsache, die Marie umso mehr von ihrer heimlichen Mission überzeugte, den
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