Im Dienste Der Koenigin
war Maries trockener Kommentar dazu.
»Nun, Marie, ich hoffe, du als beste Freundin der Königin machst dir darüber keine Gedanken, oder doch? Du denkst doch nicht etwa im Ernst darüber nach, sie und ihren Sohn im Stich zu lassen und damit zu verraten?«
Céleste beobachtete die Schwester sehr genau.
Marie winkte ab. »Aber, nein, Schwesterchen. Von Verrat kann keine Rede sein. Aber du musst zugeben, dass sich eine höchst gefährliche Situation ergeben könnte für Annas Anhänger, und daher muss es schon erlaubt sein, wenigstens darüber nachzudenken …«
Aber weiter kam sie nicht.
»Wie viele der Hofdamen, die sich Speichel leckend um Anna scharen, überlegen sich wohl dasselbe wie du?«, wollte Céleste mit einer gewissen Schärfe in der Stimme wissen.
»Keine Ahnung.«
Marie de Chevreuse sagte dies ganz ungerührt. »Ich interessiere mich nicht dafür, was andere tun. Mir ist hauptsächlich wichtig, dass ich bei alledem einigermaßen gut wegkomme.«
Als sie der betretenen Miene ihrer Schwester gewahr wurde, lenkte sie ein bisschen ein. »Du musst mich, bitte, verstehen, liebes Kind. Ich habe bereits zu viel Unangenehmes in meinem Leben mitgemacht, unter anderem Verbannung vom
Hof, Verfolgung, Ächtung und jahrelange Vertreibung aus dem Land, wie du sehr gut weißt.
Unsereins ist immer der Spielball der Regierenden und hat sich selbst gegenüber geradezu die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, nicht zu denen zu gehören, die am Ende die Zeche für alles bezahlen müssen.
Ich bin zu alt, um solche Katastrophen noch einmal unbeschadet zu überstehen, Céleste. Erneut mitzuerleben, wie eine Vogelfreie verfolgt und ohne Hab und Gut aus der Heimat vertrieben zu werden, würde ich nicht mehr aushalten. Welcher Herrscher würde mich denn jetzt noch als Mätresse haben wollen?«
Schweigend saßen die beiden Frauen noch eine Weile beisammen, ehe die ihre Lage schonungslos unvoreingenommen betrachtende Herzogin aufstand und sich verabschiedete. Sie war bereits aus der Tür getreten, als sie sich noch einmal ein wenig schwerfällig umwandte und fragte:
»Wie, sagtest du, Liebste, heißt diese Bewegung, der sich jetzt auch der Adel anschließt?«
»Fronde«, gab Céleste kühl zur Antwort. »Genauso wie die kleine Steinschleuder, mit der üblicherweise die Pariser Gassenjungen Spatzen und Tauben abschießen.«
»Ha! Und jetzt will man also versuchen, ob das auch bei Königsadlern, Pfauen und Krontauben funktioniert?«
Mit einem amüsierten Lachen war die schlagfertige Chevreuse gegangen. Céleste aber machte sich so ihre Gedanken über Marie. Irgendetwas hatte sie sehr verändert; war sie auch früher schon manchmal über Maries Unverfrorenheit und über ihre wenig diskrete Art erschrocken, so meinte Céleste, dieser Tage bisweilen einen Anflug von Bosheit in den Bemerkungen ihrer Schwester zu entdecken - eine Charaktereigenschaft, die Marie vorher nie zueigen gewesen war. Und obgleich
Marie schon immer über eine gewisse Bauernschläue verfügt hatte, die sie nicht zuletzt stets ihr Wohlergehen im Blick behalten ließ, schien sie Céleste mit einem Mal ungewöhnlich berechnend und gefühlskalt …
KAPITEL 65
DIE LAGE IN Frankreich war zu Beginn des Jahres 1649 angespannt. Schon im Sommer des Vorjahres war es zu ersten ernstzunehmenden Unruhen gekommen. Ausgerechnet die im Allgemeinen so überaus höfliche Anna beging aus Unbedachtheit und mit wenig Fingerspitzengefühl Mitte Februar einen groben Fauxpas.
Sie fuhr dem Präsidenten des Parlaments, der sich erlaubt hatte, sie in einer - an sich bedeutungslosen Sache - zu korrigieren, vor allen Leuten barsch über den Mund: »Schweigt, alter Narr!«
Dieser Vorfall wurde von Annas Gegnern maßlos aufgebauscht. Als sie dann den beim Volk überaus beliebten Parlamentarier auch noch in der Bastille einsperren ließ, war dies in Paris der Anlass für schwere Ausschreitungen.
Céleste, die die Nacht wieder einmal im »Hof der Wunder« bei Monsieur Saint-Hector verbracht hatte, wurde Zeugin eines höchst merkwürdigen Schauspiels, als sie am nächsten Morgen ins Palais Royal eilen wollte:
Das Volk war damit beschäftigt, Barrikaden auf den Straßen und Plätzen zu errichten, indem es Bretter, Kisten, Tische, Bänke und Holztüren heranschleppte und aufeinanderschichtete.
Sie erlebte hautnah mit, wie ärmlich gekleidete Bürger königliche Soldaten und Angehörige des Hofes bespuckten und sogar mit Steinen bewarfen.
Céleste erschrak außerordentlich über
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