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Im Dienste Der Koenigin

Titel: Im Dienste Der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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dem Abenteuer und der Zügellosigkeit hinzugeben. Unruhig und innerlich zerrissen reiste die um ihre einzige und wahre Liebe Betrogene kreuz und quer durch Europa.
    Beim Karneval in Venedig ließ sie sich maskiert in einer Gondel durch die Kanäle rudern und suchte sich, jeweils für eine Nacht, einen Liebhaber aus. In der spanischen Hauptstadt ging Maria Manzini, verkleidet als Zigarrenverkäuferin,
vor dem Prado spazieren und sprach scharenweise Herren an, die ihr gefielen.
    Soweit zumindest die Gerüchte - ob diese der Wahrheit entsprachen, war sehr schwer nachzuprüfen. Aber dass die Dekolletés ihrer Abendroben, die sie bei festlichen Veranstaltungen trug, offenherziger als die der Huren in einem Bordell waren, darüber existierten viele Augenzeugenberichte …
     
    Die Heiratsverhandlungen mit den Spaniern machten indes Fortschritte. Ludwig schrieb bereits am 21. September 1659 seinem Schwiegervater in spe einen Brief, worin er ihn »vortrefflichster und mächtigster Fürst« betitelte und ihn zugleich als »liebsten Bruder und geliebten Oheim« begrüßte. Auch die Infantin Doña Maria Teresa - die er noch nie gesehen hatte - versicherte er seiner Wertschätzung und seiner tief empfundenen Gefühle.
    Sowohl in Spanien als auch in Frankreich atmeten die Bürger auf, als bekannt wurde, dass der Bourbonensprössling Ludwig die Habsburgerin Maria Teresa heiraten würde.
    Bedeutete dies doch endlich Frieden!
    Wildfremde Menschen in den Straßen von Paris und Madrid umarmten einander und ließen das erlauchte Brautpaar hochleben; sogar raue Krieger schämten sich nicht, Freudentränen zu vergießen.
    Auch Ludwig XIV. weinte - wenn auch nicht vor Freude, sondern vor Kummer, wenn er Maria Mancinis gedachte, die aus Verzweiflung, weil dieser Friede mit ihrem gebrochenen Herzen erkauft worden war, ihr Leben nun wegzuwerfen schien, indem sie sich wahllos fremden Männern hingab.
    In Paris, wohin die königliche Familie samt Gefolge inzwischen zurückgekehrt war, war man befremdet, dass der König sich so selten in der Öffentlichkeit sehen ließ. Auch am Hof
zog er sich meist allein in seine Gemächer zurück, um in Einsamkeit über seine verlorene Geliebte zu trauern.
    »Ein König zeigt niemals dem Volk seinen Kummer, Madame. Ein Herrscher ist wie die Sonne, die ihren wärmenden Schein über die Menschen ausgießt«, ließ Ludwig seine Mutter Anna wissen. Sie hatte erneut begonnen, sich ernste Sorgen um ihren Ältesten zu machen. »Er muss immer ein glückstrahlendes Gesicht präsentieren, um niemanden zu verunsichern - etwas, das mir, wie Ihr verstehen werdet, Madame, im Augenblick sehr schwerfällt.«
    Anna hatte begriffen. Natürlich! Wer, wenn nicht sie, vermochte dies ihrem unglücklichen Sohn nachzufühlen? Hatte sie es nicht ebenso gehalten während der Jahrzehnte ihrer unglücklichen Ehe mit Ludwig XIII.? Auch sie hatte hinter den verschlossenen Türen ihres Boudoirs Tränen vergossen und sich bei feierlichen Anlässen, wenn ihre Gegenwart als Königin vonnöten war, nichts von ihrem Schmerz anmerken lassen.
    Der Kummer ihres Sohnes zerriss ihr fast das Herz und sie hätte alles dafür gegeben, ihm einen Teil seiner Bürde abnehmen zu können.
     
    Mit ihren Ängsten um die Gemütsverfassung Ludwigs musste Anna indes allein fertigwerden: Jules Mazarin steckte mitten in heiklen Verhandlungen mit den Spaniern. Nicht nur um den Ehevertrag des Königs ging es dabei, sondern vor allem um den Frieden und dessen Bedingungen.
    Der gewiefte Diplomat in der purpurroten Robe war monatelang gefordert und konnte sich keine Schwächen erlauben. Sein Widerpart bei diesen diffizilen Verhandlungen war Don Luis de Haro, ein unnahbarer Grande aus Kastilien. Dieser stolze Herr fühlte sich verpflichtet, unter allen Umständen am bereits merklich angestaubten Glanz Spaniens festzuhalten.

    Aber Mazarin wusste Bescheid, ihm konnte Don Luis nichts vormachen. Ihm war nicht unbekannt, dass Spanien noch viel tiefer am Boden lag als Frankreich.
    Der Krieg, der über ein Vierteljahrhundert gewütet hatte, hatte das Land in eine regelrechte Wüste verwandelt: Spaniens Bevölkerung, die vor Kriegsbeginn fünfzehn Millionen gezählt hatte, war jetzt auf sechs geschrumpft, während in Frankreich noch immerhin achtzehn Millionen Menschen lebten.
    Und die Staatskassen jenes Imperiums, über dessen Grenzen einst - zu Zeiten Kaiser Karls V. - die Sonne nicht untergegangen war, und in die noch vor kurzem aus Amerika ein gewaltiger, nicht

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