Im Dienste Der Koenigin
Heirat, an der ihr so viel lag.
»Der Umstand der für den Nachwuchs gefährlich nahen Blutsverwandtschaft ist zwar jedermann bekannt, aber kein Mensch scheint in der Lage zu sein, daraus vernünftige Konsequenzen zu ziehen«, monierte unüberhörbar die Freundin der Königinmutter im Kreis der verwundert lauschenden Höflinge.
»Hast du eigentlich keine anderen Sorgen?«, fragte Céleste die Schwester. Die Gräfin war mittlerweile in den Kreis der Hofdamen Königin Annas aufgenommen worden, da sie der Dienst beim jungen König zu sehr angestrengt hatte; demzufolge sah sie Marie jetzt jeden Tag bei Hofe.
Obwohl sie nicht bestreiten konnte, dass ihre kritiksüchtige Schwester möglicherweise im Recht war, wollte Céleste nicht dulden, dass Marie die Heirat ihres ehemaligen Zöglings schlechtredete. Um von dem heiklen Thema abzulenken, begann sie ein wenig wichtigtuerisch: »Den Kardinal quälen augenblicklich
ganz andere Probleme, ma Chère. Auf einmal will nämlich der spanische König nichts mehr von einer Ehe zwischen seiner Tochter und unserem König wissen.
Aber nicht, weil ihn etwa die nahe Verwandtschaft bedenklich stimmt, sondern weil ihn das lange Zögern Ludwigs verärgert hat. Seine Majestät hat den Spanier zutiefst beleidigt, da er sich nicht sofort für Maria Teresa entschieden, sondern ihr tatsächlich die Nichte Kardinal Mazarins vorgezogen hat.«
»Oh? Dann wird womöglich gar nichts aus der Heirat zwischen Spanien und Frankreich?« Marie lächelte zufrieden. »Ich bin zwar der Meinung, dass dies ein Segen wäre im Hinblick auf die enge familiäre Beziehung der beiden, aber irgendwie bedauere ich es beinahe.
Ich habe mich schon so auf ein großes Fest mit zahlreichen, exquisiten Gastmählern gefreut«, sagte die, nach ihrer Verjüngungskur immer noch gertenschlanke Duchesse de Chevreuse, die zwar wieder von allen Leckerbissen ein wenig kostete, sich aber nie mehr zu viel davon auf ihren Teller laden ließ.
»Der Kardinal, dieser Fuchs, hat noch ein Ass im Ärmel«, verriet Céleste ihrer vor Neugier fast vergehenden Schwester. Und sie beugte sich zu Marie und flüsterte ihr die Neuigkeit ins Ohr, die sie heute zufällig im Boudoir Annas aufgeschnappt hatte.
Mitten im Winter - im Januar 1659 - ging der halbe Hofstaat auf Reisen, trotz empfindlicher Kälte und unangenehmer Regenschauer, vermischt mit Graupel und Schneeflocken. Die verwöhnten Damen und Herren des königlichen Gefolges bibberten selbst unter den wärmenden Decken in den Kutschen und schauten verdrießlich aus den Fenstern ihrer eleganten Droschken, Equipagen und Chaisen, die ihre Bediensteten mit kleinen, tragbaren Heizöfchen ausgestattet hatten.
»Wohin die Reise bloß gehen mag?«, fragte unwillig ein rotnasiger Chevalier eine unförmige, in mehrere dicke Umhänge gehüllte Comtesse, die kaum in ihre Kutsche zu klettern vermochte.
»Ich habe keine Ahnung, Monsieur le Chevalier. Der Kardinal macht ja ein gewaltiges Geheimnis daraus. Aber ich finde es von Monseigneur wenig rücksichtsvoll, uns in der kalten Jahreszeit hinauszujagen; ich muss schließlich auf meine schmerzenden Knochen achten. Im Winter bringen mich normalerweise keine zehn Pferde weg von meinem Kohlebecken im Salon.«
»Die Reise geschieht auf den ausdrücklichen Wunsch Seiner Majestät des Königs«, rügte Marie de Chevreuse die von Gelenkrheuma geplagte Hofdame. »Der Kardinal hat nur den Willen des Königs weitergegeben und die Route festgelegt.«
»Ach, dann wisst Ihr also, Madame, wohin wir fahren werden?«, erkundigte sich der Chevalier, der erneut seine laufende Schnupfennase in ein riesiges Taschentuch schnäuzen musste.
»Jawohl, Monsieur. Aber ich habe Seiner Majestät versprechen müssen, darüber Stillschweigen zu bewahren.«
Das klang zwar ein wenig wichtigtuerisch, entsprach aber durchaus der Wahrheit. »Ich weiß, Madame, dass Ihr Euch manchmal schwer tut, ein Geheimnis zu bewahren, aber heute bittet Euch Seine Majestät ganz dringend, nichts darüber verlauten zu lassen«, hatte Kardinal Mazarin der Vertrauten seiner Geliebten ernsthaft ans Herz gelegt.
Um seinen Worten etwas die Schärfe zu nehmen, hatte der Kardinal dabei freundlich gelächelt, aber die Chevreuse hatte ihn schon verstanden: Sollte sie ihre Zunge dieses Mal nicht im Zaum halten, würde es unangenehme Folgen für sie haben...
Erst nach geraumer Zeit sickerte durch, dass die Fahrt nach Lyon gehen sollte. Und es dauerte noch einmal eine ganze Weile, bis alle wussten,
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