Im Dienste Der Koenigin
nichts auflösten.
Zum Schluss hatte sie noch eine Überraschung für Marie. Sie vertraute aus Dankbarkeit über ihre plötzliche Einsicht der Schwester etwas an, was eigentlich für eine Weile noch ein kleines Geheimnis hätte bleiben sollen: Marie de Chevreuse sollte in Kürze - zur Geburtstagsfeier der jungen Königin
Maria Teresa - wieder an den Hof zurückkehren dürfen; ihre »Verbannung« war damit aufgehoben. »Anna ist der Meinung, ihre Freundin mit dem losen Mundwerk habe nun genug gebüßt«, sagte Céleste und lachte vergnügt, als sie die Freudentränen der Herzogin sah.
KAPITEL 89
SEIT MARIE WUSSTE, dass Anna ihr verziehen hatte und sie bald zu sich rufen würde, war sie hochgestimmt, wie seit langem nicht mehr. Sie fand wieder Vergnügen daran, sich schön zu machen, sich zu schminken und sich neue Garderobe anfertigen zu lassen. Von den Corsagen, die auf der blanken Haut getragen wurden und von einer Zofe bis zum Gehtnichtmehr zugeschnürt werden mussten, bestellte sie sich gleich ein Dutzend.
»Ich möchte am Hof die Dame mit der schmalsten Taille sein«, verkündete sie frohlockend, als Céleste ihr mal wieder die Corsage anlegte, dass ihr schier der Atem wegblieb.
»Das könnte dir sogar gelingen, Schwesterchen«, kicherte die Jüngere. »Aber ich garantiere dir, du wirst auch gleichzeitig diejenige sein, die dauernd in Ohnmacht fällt.«
»Macht nichts, wenn genügend junge, schmucke Kavaliere anwesend sind, die mir wieder auf die Füße helfen!« Marie schien gleichsam zu schweben.
Sogar den beliebtesten Haarkünstler von Paris hatte sie kommen lassen, damit er verschiedene Frisuren an ihr ausprobierte. Monsieur Alexandre Darfour war entzückt, mit »solch
wunderbarem Haar« arbeiten zu dürfen, dessen dichte Fülle und gesunde Struktur er nicht genug loben konnte, während er der honigblonden Farbe mit einigen Kunstgriffen - sprich Kräuterspülungen, deren Zusammensetzung er geheim hielt - zu noch größerer Brillanz verhalf …
Eine Woche war vergangen seit Maries letztem Gespräch mit Céleste; sie hatte für den Abend Gäste eingeladen. Als sie den prächtigen Salon mit den goldgeprägten Ledertapeten und den bodenlangen, bordeauxroten Samtvorhängen betrat, wunderte sie sich, dass sie ihren Gemahl Claude nirgends sehen konnte. Wenn sich Besuch ankündigte, war er in der Regel der Erste im Salon.
Der alte Seigneur pflegte langsam umherzuschlendern und sich die herrlichen Gobelins mit den mythologischen Darstellungen anzusehen. Er hatte sie gewiss schon tausendmal betrachtet, aber er genoss den Anblick der Taten des Herakles stets von neuem.
Die Herzogin beauftragte einen der Diener, nach dem Herzog zu sehen und ihn an die abendlichen Besucher zu erinnern. Ihr guter Claude wurde allmählich vergesslich …
Der Mann kam nach kurzer Zeit mit allen Anzeichen des Entsetzens in den Salon gestürzt, wo Marie sich inzwischen an einem Spinett niedergelassen hatte. Sie liebte es zuweilen, zur Entspannung ein paar Stücke vom Blatt zu spielen - ohne eine große Könnerin zu sein.
»Madame la Duchesse, ein Unglück, ein schreckliches Unglück ist geschehen«, stammelte der Diener. »Seine Durchlaucht, der Herzog …«
Marie unterbrach sofort ihr Spiel. Sie ahnte bereits, was geschehen war: Die Blässe des Domestiken und sein verstörter Gesichtsausdruck sprachen Bände.
»Beruhige Er sich zuerst einmal, Jean«, sagte sie begütigend zu dem Diener, den Claude immer am liebsten von allen Hausangestellten gemocht hatte. Und der ältere Mann berichtete:
Den Herzog de Lorraine-Chevreuse hatte er am Boden liegend vorgefunden, leblos und kalt, ohne Puls, mit offenen Augen, deren Blick bereits gebrochen war. »Seine Durchlaucht hatte sich bereits umgezogen für den Abend und …«
Der Diener begann jetzt laut zu weinen. Erst da bemerkte Marie, dass auch sie selbst tränenüberströmt war. Ihr Herz zog sich vor Schmerz zusammen. Ihr guter alter Claude war von ihr gegangen - einfach so, auf Nimmerwiedersehen, ohne sich von ihr zu verabschieden.
Beinahe war sie böse auf ihn: Er durfte sie noch nicht verlassen! Sie brauchte ihn doch noch. Er musste sie demnächst an den Hof begleiten …
Die Chevreuse schlug die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich um den Mann, den sie, solange er gelebt hatte, nie recht beachtet hatte. Im Gegenteil! Geradezu lästig war er ihr gewesen in seiner beinahe hündischen Anbetung und verachtet hatte sie ihn, seiner Liebe zum verstorbenen König
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