Im Dienste Der Koenigin
vor Jahren sicher gut daran getan, über Maries Aufenthalt am »Hof der Wunder« nichts verlauten zu lassen. Nicht einmal ihrem gutmütigen Gemahl, dem vor drei Tagen im Alter von vierundsiebzig Jahren verstorbenen Claude de Lorraine-Chevreuse, hatte Marie jemals ihr Geheimnis anvertraut. Auch ihm wäre mit Sicherheit ihr Aufenthalt bei den kriminellen Strolchen anrüchig erschienen - und er hätte ihn seiner Frau untersagt.
KAPITEL 90
WIDER ERWARTEN GING es dem Kardinal bald wieder ein wenig besser und er ließ dem König und seiner Gemahlin zu Ehren rauschende Feste, Bälle und Theateraufführungen ausrichten. Vor allem dem Schauspiel gab der Kardinal großen Raum - war er sich in dieser Sache doch des Königs Wohlwollen gewiss. Einer der französischen Dichter hatte es Seiner Majestät im Besonderen angetan.
Kurz hintereinander wurden Sganarelle und Die lächerlichen
Preziösen von einem gewissen Monsieur Jean-Baptiste Poquelin auf der Bühne aufgeführt. Dieser, ein studierter Rechtsgelehrter im Besitz der Lizentiatenwürde, hatte auf eine Karriere als Jurist verzichtet und lieber eine Schauspieltruppe gegründet.
Um seinen Vater - einen Tapezierer und wohlhabenden königlichen Hofbeamten - nicht zu kompromittieren, hatte der junge Mann sich den Künstlernamen »Molière« zugelegt. Auf Ludwigs Geheiß wurde dem Dramatiker, Schauspieler und Theaterdirektor Molière eine Summe von dreitausend Livres übergeben.
Gegenüber der Gräfin Céleste de Rollande, seiner ehemaligen »Madame Mère Céleste«, sprach der König überdies die Empfehlung aus: »Monsieur Molière soll weiterhin größte Aufmerksamkeit und Wertschätzung bezeigt werden. Dieser Mann lässt ein erstaunliches Talent für Komik erkennen, aus dem der Staat bei passender Gelegenheit großen Nutzen ziehen könnte.«
»Welch ein Unterschied zum verstorbenen König, seinem Vater«, dachte Anna, die Zeugin des Ganzen war. »Ludwig XIII. - bar jeglichen Humors - hätte den Mann, seiner satirischen Ader wegen, in die Bastille werfen lassen.«
Im Trubel der Festivitäten, mit denen sich der König und sein Hof vergnügten, war nur ein Mann streng zu einer Diät verdonnert: Auf Anordnung seiner Leibärzte durfte Kardinal Mazarin nur Milch, Kraftbrühe, gedünstetes Rebhuhn und - Opiumpillen zu sich nehmen. Letztere gegen seine Schmerzen, die wieder schlimmer geworden waren.
Wie ernst es tatsächlich um Mazarin stand, wurde Anna erst wirklich bewusst, als im Februar 1661 im Louvre ein Feuer ausbrach. Seit kurzem residierte dort der Hof auf Wunsch Seiner
Majestät des Königs. Das Palais Royal mochte moderner und bequemer sein, dennoch haftete der alten Residenz die Aura des Großartigen, Geheimnisvollen und Ehrwürdigen an.
Auch der Kardinal war - seiner Hinfälligkeit ungeachtet - dorthin umgezogen.
Als er den Brandgeruch bemerkte, war Jules Mazarin nicht imstande, seine Gemächer aus eigener Kraft zu verlassen. In letzter Sekunde hatten ein paar Lakaien seine leisen Hilferufe vernommen und Ludwigs Patenonkel aus seinem bereits mit dichtem Qualm erfüllten Schlafzimmer getragen.
Mazarin - der sich keinerlei Illusionen über seinen schlechten Gesundheitszustand hingab und wusste, dass seine Tage gezählt waren - bat darum, auf sein eigenes Besitztum in Vincennes gebracht zu werden, um dort in Ruhe zu sterben.
Selbstverständlich erfüllte man ihm seinen Wunsch. Die todunglückliche Königinmutter suchte ihn täglich in Vincennes auf und verbrachte bangend und betend viele Stunden an seinem Schmerzenslager. Auch Ludwig eilte besorgt jeden Tag an sein Bett, erkundigte sich teilnahmsvoll nach dem Befinden seines Premierministers und ließ sich - noch immer - Ratschläge von ihm erteilen.
»Das Wichtigste aber ist, Sire, dass Ihr niemals einen Ersten Minister beruft, sondern dass Ihr Euch selbst um die Regierungsgeschäfte bemüht«, hörte Anna den Sterbenskranken dem jungen Monarchen eindringlich zuflüstern. »Ihr seid dazu bestens von mir ausgebildet worden, Majestät. Sich Rat einzuholen und die Meinungen verschiedener Männer anzuhören, das ist in Ordnung. Aber behaltet Euch immer unter allen Umständen das letzte Wort bei allen Entscheidungen vor.«
Dieser Rat dünkte der Königinmutter Anna auf den ersten Blick ein wenig sonderbar: Kardinal Mazarin warnte seinen Patensohn damit schließlich explizit vor seinesgleichen …
»Hütet Euch stets vor Emporkömmlingen, die ohne Skrupel nur ihr eigenes Wohl im Auge haben, Sire. Ehrgeiz und
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