Im Dienste Der Koenigin
wegen.
»Lieber Gott, nimm ihn gnädig auf in Dein himmlisches Reich«, betete sie leise und mit erstaunlicher Hellsichtigkeit fuhr sie fort: »Claude war ein anständiger Mensch - und vermutlich war er auch der einzige Mann, der mich je wirklich geliebt hat.«
Dann erhob sich die Herzogin, wischte sich energisch die Tränen aus den Augenwinkeln und erteilte kühl und beherrscht die nötigen Anweisungen ans Personal, um die Schritte zu veranlassen, die in einem solchen Fall getan werden mussten.
Sie vergaß auch nicht, den Major Domus zu beauftragen,
die Gäste am Tor zur Umkehr zu veranlassen. Diesen Abend fiel das Souper aus und Beileidsbesuche würden erst am nächsten Tag möglich sein.
Dass sich ihre Rückkehr an den Hof durch diesen Trauerfall um etliche Wochen verschob, erschien ihr dabei das kleinste Übel zu sein …
Voll Anspannung erwartete Anna das Wiedersehen mit Marie. Längst hatte sie ihrer Freundin verziehen - auch wenn sie noch immer ein klein wenig gekränkt war. Doch sie hoffte, dass alles wieder wie früher wäre, wenn sie sich erst einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstünden - oder zumindest fast so wie früher. In manch langer, schlafloser Nacht malte Anna sich jenen Augenblick aus, in dem sie Marie endlich wieder in die Arme schließen würde.
Große Sorgen bereitete ihr zudem die Gesundheit ihres Geliebten. Mitten in einem Gespräch krümmte der Kardinal sich plötzlich zusammen, als ob er große Schmerzen litte, und sein eben noch so heiteres Gesicht verkrampfte sich.
»Was ist mit Euch, cher Ami?«, erkundigte sich Anna, in hohem Maße alarmiert. Ihre eigene, zu Zeiten der Fronde angeschlagene Gesundheit hatte sich wieder gebessert. Die letzte Gallenkolik hatte sie vor der Heirat ihres Sohnes erlitten.
»Bereits am triumphalen Einzug des Königspaares in Paris konntet Ihr nicht teilnehmen - was ist nur los mit Euch?«
Um den Kardinal, zeit seines Lebens ein Musterbeispiel eisernen Willens, stand es offenbar nicht gut. Aber Anna war noch nicht bereit, sich die Schwere seiner Krankheit einzugestehen.
Mit seltsam anmutender, kindlicher Einfalt glaubte sie, wenn sie die Augen vor dem Offensichtlichen verschlösse, dann trete das Unglück auch nicht ein. Unter schmerzhaften
Gichtanfällen und grausamen Nierensteinkoliken hatte ihr geliebter Freund schon seit Jahren hin und wieder gelitten. Jetzt war noch ein unheilbares Herzleiden hinzugekommen.
»Verzeihung, Madame. Bitte, gestattet mir, dass ich mich zurückziehe«, vermochte der Kardinal gerade noch zu stammeln, ehe er ohnmächtig zusammenbrach.
Von Anna panisch zu Hilfe gerufene Diener schafften ihn in seine Dienstwohnung im Palais Royal, wo sie den hohen Herrn in sein Prunkbett legten. Die purpurnen, von goldenen Fäden durchzogenen Bettvorhänge ließen sie offen, um den eilig herbeizitierten Ärzten die Arbeit zu erleichtern.
»Aber außer der Verabreichung eines Opiumtranks zur Linderung seiner Schmerzen konnten sie nicht viel für ihn tun«, setzte Céleste ihre Schwester bei ihrem nächsten Besuch anlässlich der Trauerfeier für den Herzog de Chevreuse ins Bild.
»Von den völlig wirkungslosen Aderlässen und Klistieren einmal abgesehen - die nur geeignet sind, den Patienten noch zusätzlich zu schwächen, wie ich von verschiedenen Ärzten vom ›Hof der Wunder‹ weiß. Dein Gemahl, Marie, hatte das Glück, vor seinem Tod nicht krank gewesen zu sein und der ärztlichen Kunst nicht zu bedürfen. Damit hat er sich mit Sicherheit viele Leiden erspart. Ich sage dir das zum Trost, Marie.
Anna kann gar nicht fassen, dass ihr Geliebter und verständiger Ratgeber auf einmal so hilflos in seinem Bett liegt.«
»Schade, dass der ausgezeichnete Medicus aus Spanien, der mich so vortrefflich mit seinen Kräutern und Säften und seiner Diät aus Gemüse und magerem Fleisch behandelt hat, nicht mehr da ist«, murmelte Marie.
Der jüdische Arzt, der leichtsinnigerweise begonnen hatte, Patienten auch außerhalb der schützenden Mauern zu besuchen,
war nämlich eines Tages nicht mehr an den »Hof der Wunder« zurückgekehrt. Über Wochen hatte ihn der Bettlerkönig Saint-Hector in der Hauptstadt suchen lassen, aber er war und blieb wie vom Erdboden verschluckt.
Ihre Schwester winkte ab.
»Niemals würden es die Königinmutter oder der König erlauben, dass ausgerechnet ein Bewohner der Gaunerbastion von Paris den Kardinal behandelt. Lieber ließen sie ihn sterben«, vermutete Céleste.
Die beiden Schwestern hatten
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