Im Dreieck des Drachen
finsterem Gesicht schritt Nafe zum Kopf des Tischs. Er würde dafür sorgen, dass die USA diese Zurschaustellung chinesischer Aggression entsprechend beantworteten. Die Zeit für Diplomatie war abgelaufen. Falls nötig würde er die chinesische Marine von den Meeren wischen.
Er setzte sich. Diejenigen Mitglieder, denen eine Sitzgelegenheit zur Verfügung stand, taten es ihm nach, die anderen blieben stehen.
»Wo sind wir also?«, fragte Nafe.
Alle schwiegen. Auch wollte niemand seinem Blick begegnen.
»Ich will Antworten, außerdem einen Plan für eine entsprechend aggressive Antwort«, sagte Nafe wütend.
Nicolas Ruzickov erhob sich. »Mr President, dazu ist es zu spät.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Die Kampfhandlungen sind bereits vorüber. Taiwan hat kapituliert.«
Nafe rang um Verständnis. »Wie das? Wollen Sie damit sagen, dass die Chinesen in der Zeit, die ich benötigt habe, um vom Oval Office hierherzukommen, Taiwan eingenommen haben?«
Ruzickov senkte den Kopf. »Da ihre Insel nach den Beben nur noch ein Trümmerfeld war, konnten die Taiwanesen keinen Widerstand leisten. Bevor wir hätten reagieren können, hatte ihre Regierung zugestimmt, ihre Unabhängigkeit aufzugeben und die chinesische Oberhoheit anzuerkennen als Gegenleistung für Hilfestellung und das Ende der Feindseligkeiten. Inzwischen sind bereits chinesische Streitkräfte gelandet. Taiwan ist wieder eine chinesische Provinz.«
Nafe hatte es völlig die Sprache verschlagen. Alles war so verdammt schnell gegangen.
Der Verteidigungsminister ergriff das Wort. »Das können wir nicht einfach so hinnehmen. Wir haben Streitkräfte auf der Insel stationiert … in diesem Gebiet.«
Der Chef der Marineleitung erhob Einspruch. »Ohne eine Anfrage der taiwanesischen Regierung sind uns die Hände gebunden. Und die wird nicht kommen. Wir haben uns mit ihrer Botschaft in Verbindung gesetzt. Sie wollen nicht zwischen die Fronten geraten, da sie befürchten, dass das in ihrem gegenwärtigen Zustand zu einer völligen Vernichtung ihrer Insel führen würde. Uns hat gerade die Nachricht erreicht, dass ihre Regierung von uns verlangt, unsere Streitkräfte aus ihren Hoheitsgewässern zurückzuziehen.«
Nafe spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Noch keine zwei Wochen im Amt, und schon verlor er Taiwan an die Chinesen. Er ballte die Fäuste. »Das nehme ich nicht so einfach hin. Solange ich im Amt bin, werde ich der Ausbreitung des Kommunismus nicht tatenlos zusehen.«
»Sir …«, warnte Ruzickov.
Nafe schlug mit der Faust auf den Tisch. »Diese Hätschelei Chinas muss ein Ende haben. Hier. Jetzt.«
»Was schlagen Sie also vor, Sir?«
»Angesichts des hinterhältigen Mords an Präsident Bishop und dieser neuesten Aggression bleibt mir keine andere Wahl.« Nafe starrte die Führer der Streitkräfte der Vereinigten Staaten an, bis sie die Blicke senkten. »Ich werde dem Kongress eine Kriegserklärung abverlangen.«
14.40 Uhr
Naha, Präfektur Okinawa, Japan
Jack war so froh darüber, dass die Reifen des Jets endlich den Beton berührten und er aus dem Bauch des Untiers befreit wurde, dass er vergaß, wie sehr er Flugreisen eigentlich verabscheute – die abgestandene Luft, die überfüllten Sitzreihen, die weinenden Kinder. Allerdings war sein Missmut weniger auf die üblichen Unbequemlichkeiten zurückzuführen als auf seine Erinnerung an den Absturz von Air Force One. Er war eben in der gleichen Flugzeugklasse geflogen, einer Boeing 747, und hatte einen großen Teil des Flugs damit verbracht, aus dem Fenster zu starren und jede Schweißnaht, jeden Bolzen und jede Klappe an den Tragflächen zu mustern.
Doch drei Tage nachdem er den Entschluss gefasst hatte, nach Okinawa zu reisen, war er schließlich auf der Insel eingetroffen. Die Reise hatte so lange gedauert, weil der nächstgelegene Flughafen auf dem Kwajalein-Atoll lag und die Deep Fathom bis dorthin einen ganzen Tag benötigt hatte. Dort war er gezwungen gewesen, Stand-by zu fliegen, was einen weiteren halben Tag gefressen hatte, bis endlich ein Platz frei wurde. Aber jetzt hatte er die Reise hinter sich.
Nachdem er endlich ausgestiegen war, ging Jack durch das Gewühl zur Abfertigung hinüber. Sein einziges Gepäckstück, einen Rucksack, trug er über der Schulter. Er trat zu dem japanischen Zollbeamten und knallte seinen Pass auf den Schalter. Der Beamte bedeutete ihm, den Rucksack zu öffnen.
Jack gehorchte. Der Mann studierte seinen Pass und sprach ihn auf Englisch an:
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