Im Dreieck des Drachen
rutschte zum Computer hinüber. »Gabriel, stell den Anruf durch!«
Die winzige Videokamera über dem Monitor schaltete sich ein. Auf dem Bildschirm entstand eine Kaskade von Pixeln, die langsam ein verschwommenes Bild ihrer Freundin formten. Miyuki beugte sich nahe ans Mikrofon. »Karen! Wo bist du?«
Das Bild flackerte. »Ich habe nicht viel Zeit. Ich habe Gabriel mittels deiner codierten Adresse übers Internet kontaktieren können, und er war in der Lage, diese verschlüsselte Videoverbindung aufzubauen, aber ich kann nicht sicher sein, dass sich nicht jemand einklinkt.«
»Wo bist du?«
»In einer Tiefseeforschungsstation nahe Jacks Obelisken. Ist er da?«
Miyuki nickte und lehnte sich zurück. »Jack! Komm her, schnell!«
Der Kapitän der Fathom steckte den Kopf aus dem Geologielabor, einen besorgten Ausdruck auf dem Gesicht. »Was ist los?«
Miyuki stand auf und zeigte auf den Bildschirm. »Karen!«
Er bekam große Augen, fiel sozusagen aus der Tür des Geolabors und stolperte um den Tisch herum. »Was meinst du …« Dann kam er in Sichtweite des Computermonitors. Er eilte hin und beugte sich so nah heran wie möglich. »Karen, bist du das?«
19.05 Uhr
Basis Neptune
Karen sah, wie sich Jacks Gesicht in dem kleinen Viereck in der rechten unteren Ecke ihres Computermonitors formte. Er war am Leben! Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Karen, wo bist du?«
Sie hustete, um die Kehle freizubekommen, und fasste dann kurz die letzten vierundzwanzig Stunden zusammen: ihre Gefangennahme, den Flug mit dem Helikopter, die Einkerkerung im Tiefseelabor. Anschließend fuhr sie fort: »Ich habe den Forschern einen Knochen hingeworfen und ihnen von der Verbindung zu Rongorongo berichtet. Ohne die anderen Beispiele, die wir entdeckt haben, ist das eine nutzlose Spur, aber das wissen sie nicht. Weil ich Kooperationsbereitschaft vorgetäuscht habe, haben sie die Leine ein bisschen gelockert.« Sie warf einen Blick über die Schulter, als ein Gelächter den geschwungenen Gang entlangschallte. »Die anderen sind oben beim Essen oder bei der Arbeit. Ich weiß nicht, wie lange ich diese Verbindung offen halten kann, ohne Verdacht zu erregen.«
»Ich werde dich da irgendwie rausholen«, sagte Jack. »Hab Vertrauen zu mir!«
Karen beugte sich näher an den Bildschirm heran. »Ich wollte euch vor allem wissen lassen, dass sie die Absicht haben, irgendwann morgen Nachmittag den Obelisken freizusprengen. Sie haben Bohrungen in dem Gebiet durchgeführt und sind anscheinend zu der Auffassung gekommen, dass darunter eine größere Lagerstätte zu finden ist. Die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs.«
Auf dem Monitor warf Jack einen Blick zur Seite. »Du hast recht gehabt, Charlie!«
»Natürlich«, erwiderte jemand außerhalb des Bildschirms.
Karen runzelte die Stirn. »Was willst du damit sagen? Was weißt du?«
Jack gab ihr eine kurze Übersicht über das, was sie aus dem Platinbuch erfahren hatten, und über Charlies Theorien. Karen saß wie versteinert da, als sich die Geschichte vor ihr entfaltete: antike Katastrophen, dunkle Materie, Sonnenstürme. Und mit offenem Mund lauschte sie Jacks Geschichte von der nahenden Gefahr.
»Oh, mein Gott!«, sagte sie. »Wann soll dieser Sturm zuschlagen?«
»Morgen, kurz nach Mittag.«
Ein neues Gesicht tauchte auf dem Bildschirm auf. Jack stellte es vor. »Das ist Charlie Mollier, der Geologe des Schiffs.«
»Was tun wir also?«, fragte Karen. Schweißtropfen liefen ihr den Rücken hinab. Sie hatte das sichere Gefühl, jeden Augenblick ertappt zu werden.
»Erzähl mir, was dieser Sprengtrupp vorhat!«, sagte Charlie.
Karen erklärte den Plan der Navy, ein Loch in die Hauptader des Kristallkerns zu sprengen.
Jack ergriff das Wort. »Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. Zumindest würde die Säule nicht mehr so exponiert dastehen.«
»Nein«, sagte Charlie. »Wenn sie Erfolg haben, wird es die Sache nur schlimmer machen. Sie werden das Herz der Lagerstätte freilegen und damit das Gebiet, das dem Sonnensturm ausgesetzt ist, vergrößern, nicht verkleinern. Die einzige Möglichkeit, sich gegen diese Katastrophe zu schützen, besteht darin, die Säule zu vergraben oder sie sauber abzuschneiden, sie von der Hauptlagerstätte zu trennen.«
»Mit anderen Worten: den Blitzableiter flachlegen«, meinte Jack.
Karen schaute auf die Uhr. Wenn der Geologe recht hatte, blieben ihnen bloß noch siebzehn Stunden. »Was wäre, wenn wir mit dem Sprengstoff gezielt die Säule aufs
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