Im Dunkel der Nacht (German Edition)
verlor man auf beiden Seiten.
Jackson sagte: »Das war einer dieser Momente. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Noch nie hatte ich mit Eltern zu tun, die sich so verhielten. Ehe ich etwas tun konnte, waren sie weg. Ich werde es immer bereuen, dass ich nicht dazwischengegangen bin und Max vor Osborne verteidigt habe.« Er zuckte mit den Schultern. »Mir blieb die Luft weg. Das Spiel lief, und ich brachte nicht das Geringste ein.«
»Haben Sie Max je wiedergesehen?«, fragte Zach. Eine nicht gefegte Treppe? Er erinnerte sich an ein paar der Dinge, die er als Teenager abgezogen hatte. Das Auto, das er aus der Einfahrt des Nachbars gestohlen hatte. Die CD , die er in einem Geschäft geklaut hatte.
»Er war am nächsten Tag wieder da und tat so, als wäre nichts gewesen. Wie hätte er auch sonst das Gesicht wahren sollen? Er überspielte es.« Jackson wandte sich von Zach und Frank ab. »Und ich habe es ihm gestattet. Ich habe nicht nachgehakt, und Max hat verständlicherweise nichts preisgegeben.«
»Ist Osborne oft erschienen?«, fragte Zach.
Jackson schüttelte den Kopf.
»Und die Mutter?«, fragte Frank. Er hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt wie ein Hund, der auf ein Leckerli wartete.
»So gut wie nie.« Jackson drehte sich vom Spülbecken wieder um und sah die beiden mit gefasster Miene an.
»Aber was nützt das jetzt alles noch? Was hat es mit seinem Tod zu tun?«
»Wir wollen herausfinden, wo er hingegangen sein könnte, nachdem er von der Schule weggelaufen war. Wir hatten gehofft, dass Sie vielleicht eine Idee haben.« Es erschien durchaus möglich, dass Max auf der Suche nach Hilfe vor der Tür seines Trainers erschienen war.
»Ich habe ihn nicht mehr gesehen seit seinem Wechsel auf die Sierra School.« Jackson runzelte die Stirn.
»Was ist mit seinen Teamkollegen? Gab es jemanden, dem er nahestand?« Ein Kind, das gelernt hatte, Erwachsenen zu misstrauen, wandte sich vielleicht eher einem anderen Kind zu, wenn es Hilfe suchte.
Jackson dachte für einen Moment nach. »Sicher. Geben Sie mir eine Minute. Es ist schon lange her, und Gesichter und Namen verblassen mit den Jahren.«
»Wir haben ein Jahrbuch dabei«, sagte Zach. »Vielleicht hilft Ihnen das weiter?«
»Unbedingt. Das würde mir sehr helfen.«
Fünfzehn Minuten später gab Jackson ihnen eine Liste mit fünf Jungen, die damals mit Max befreundet waren. Er wusste allerdings nicht, wo auch nur einer von ihnen heute lebte.
Einer seiner Söhne, der Kräftigere, schob seinen Kopf in die Küche. »He, Dad, was gibt es zum Abendessen?«
»Vegetarische Frikadellen. Sie sind in etwa fünf Minuten fertig.«
»Klasse«, sagte der Junge und verschwand wieder im Wohnzimmer.
»Wir gehen dann besser.« Frank stand auf und kratzte dabei mit den Stuhlbeinen über den Boden. »Danke für Ihre Hilfe.«
Jackson atmete tief durch. »Ich wünschte, ich könnte mehr tun. Ich wünschte, ich hätte mehr getan. Es ist eine Schande. Er war ein guter Junge.«
Er brachte sie hinaus. Als sie zur Straße gingen, hörte Zach, wie er seine Kinder zum Essen rief. »Glaubst du, dass er die Wahrheit sagt?«, fragte er Frank.
»Ja. Er machte einen anständigen Eindruck.«
Zach war der gleichen Meinung. »Meinst du, wir sollten die Namen heute Abend noch überprüfen lassen?«
Frank sah auf die Uhr. »Sie wurden zwanzig Jahre lang nicht überprüft. Eine Nacht mehr wird nicht schaden.«
»Stört es dich, wenn wir auf dem Heimweg noch am St.-Elizabeth-Krankenhaus vorbeifahren und Veronica Osborne ihr Foto zurückgeben?«
Frank schielte auf seine Uhr. »Eigentlich schon. Sheila ist bestimmt schon nervös, denn heute Abend ist unsere Tanzstunde.«
Zach hob die Braue. »Tanzkurs?«
Frank kratzte sich am Bauch. »Das ist sehr romantisch. Sheila liebt es. Ich verbringe zwei Stunden mit Cha-Cha-Cha, und anschließend haben wir Sex, ohne dass ich sie zum Essen hätte einladen müssen. Außerdem schadet die Bewegung nicht.«
»Klingt nach einer Win-win-Situation.«
Frank zeigte auf ihn. »Davon gibt es nicht allzu viele im Leben. Pass also auf. Nutze jede, die sich dir bietet.«
6
Susan Tennant war eine vorsichtige und bedachte Frau. Auf Dinge zu achten war unabdingbar für eine gute Krankenschwester. Man musste Dinge bemerken, die andere nicht bemerkten, Dinge sehen, die andere übersahen. Eine bläuliche Verfärbung um die Lippen, ein Abfall des Blutdrucks oder das Ergebnis eines ganzen Bluttests waren Dinge, die über Leben und Tod eines Patienten
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