Im Dunkel der Nacht (German Edition)
entscheiden konnten, und doch würden sie den meisten Menschen nicht auffallen.
Daher fiel Susan auch das Auto auf, das die Straße entlang parkte, als sie nach Hause kam. Es war schon dunkel. Zu dieser Jahreszeit war es selten noch hell, wenn sie nach Hause kam. Allerdings war ihr die Dunkelheit recht willkommen. Die langen, hellen Sommerabende stimmten sie melancholisch.
Susan konnte weder die Farbe noch das Kennzeichen des Autos erkennen, doch sie identifizierte es als große Limousine, deren Motor selbst im Leerlauf ein kostspieliges Knurren von sich gab. Sie hätte sich gewünscht, dass derjenige, der darin saß, ihn abstellte. Es war nur Benzinverschwendung, die obendrein für zusätzliche Luftverschmutzung sorgte, was Sacramento definitiv nicht gebrauchen konnte. »Rettet die Luft«-Tage waren auch ohne weiteres Zutun häufig genug.
Susan zog für den Fall der Fälle ihre Handbremse an, stieg aus dem Auto, verriegelte es und ging in ihre Zwei-Zimmer-mit-Bad-Ranch innerhalb der Arden Arkaden.
Ihr gefiel es hier. Sie hatte es nicht weit in die Innenstadt, doch die dreispurige Straße ließ den Dreck, mit dem sie täglich zu tun hatte, weit, weit entfernt erscheinen. Manchmal wirkte dadurch sogar die Vergangenheit weit, weit entfernt.
Es lag ja auch lange zurück. All das Unangenehme hatte sich vor Jahren zugetragen. Sie war praktisch noch ein Kind gewesen, jung, unerfahren und vertrauensselig. Doch heute nicht mehr. Diese Zeit war definitiv vorbei.
Sie nahm ihr Namensschild ab und legte es in das Körbchen neben der Tür, ebenso ihre Schlüssel. Ihre Handtasche verstaute sie in der Garderobe und steckte ihr Handy ans Ladegerät. Als Letztes zog sie ihre Pantoffeln an und stellte die Schuhe auf ein Regal im Wandschrank.
Während sie in die Küche ging, wand sich ihr Kater um ihre Beine. Sie hob ihn hoch und vergrub ihr Gesicht in seinem weichen Fell. »Hallo, Patches, wie geht es dir?«
Er antwortete mit einem hellen Miau. Sie setzte ihn neben seinem Fressnapf ab und füllte diesen mit Futter. Anschließend goss sie Wasser ein, um sich einen Tee zu machen.
Es klingelte. Sie setzte den Wasserkocher ab, schaltete ihn ein und ging zur Wohnungstür. Wer konnte das um diese Uhrzeit noch sein? Ein Nachbar, der sich etwas borgen wollte? Bestimmt kein Vertreter. Vielleicht jemand von einer Spendenaktion.
Sie lugte durch den Spion, konnte aber nur einen flachen verzerrten Kopf sehen. Also öffnete sie und sagte: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Hallo, Susan. Wir haben uns lange nicht gesehen.« Er drängte sich an ihr vorbei und verriegelte die Tür.
Das war der Moment, in dem Susan Tennant begriff, dass sie der Versuch, ihre Vergangenheit zu konfrontieren, ihre Zukunft kosten konnte.
»Was ich brauche, ist ein großer blutiger Notfall. Etwas, das alle in Aufruhr versetzt«, sagte Tina zu Veronica und rieb sich das Kreuz.
Veronica schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich krank, weißt du das?« Sie konzentrierte sich wieder auf die Laborergebnisse, die sie in die Akte übernehmen wollte.
Tina grinste. »Ja, ebenso wie du. Gib’s zu. Du bist genau so ein Adrenalinjunkie wie ich. Und hier passiert in letzter Zeit gar nichts mehr.«
»Sei vorsichtig mit deinen Wünschen«, warnte sie Veronica, obwohl sie wusste, wovon Tina sprach. »Warum versuchst du nicht, Donny mal wieder ruhig zu kriegen? Er beschimpft die beiden Frauen, die ihre Mutter eingeliefert haben. Das ist gar nicht schön.«
Donny war Stammgast im St.-Elizabeth-Krankenhaus. Er war ein Vietnam-Veteran, der Invalidenrente bezog und sich fast schon regelmäßig die Kante gab und dann Leute in der Innenstadt anpöbelte. Diesmal hatte er die umwerfend innovative Idee gehabt, eine zerbrochene Flasche zu Hilfe zu nehmen, sodass er an eine Bahre gekettet in Zimmer drei auf einen Psychiater wartete. In Zimmer zwei warteten zwei Frauen mit ihrer Mutter, die offenbar einen leichten Schlaganfall erlitten hatte.
Immer wenn die Schwestern etwas sagten, brachte Donny eine Reihe von obszönen Schimpfwörtern hervor, wobei das neueste »dämliche, behinderte Schlampen« war. Überraschenderweise fanden die Schwestern dieses Verhalten zum Schreien komisch – Veronica war froh, dass es noch andere Menschen auf diesem Planeten gab, die angesichts großer Belastungen völlig unangemessen zu lachen begannen – und kicherten vor sich hin. Dies provozierte Donny zu noch längeren und ausführlicheren Beleidigungen, was bei den Schwestern zu noch größerer Belustigung
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